Zehn neue Stolpersteine erinnern an zehn weitere Menschen, die unter dem NS-Regime in Coburg gelitten haben. Nachfahren der Familie Fechheimer haben zu diesem Anlass Coburg besucht.
100 Stolpersteine sind nicht genug. Nicht genug, um an alle Opfer des NS-Regimes in Coburg zu erinnern. Hinter jedem der messingfarbenen Pflastersteine steht ein Schicksal. Ein Mensch, der hier in Coburg entrechtet worden ist. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen wieder wegen Herkunft, Aussehen oder Glauben abgewertet werden“, warnte OB Dominik Sauerteig bei der diesjährigen Verlegung neuer Stolpersteine in Coburg. Neben Jugendlichen von vier Coburger Schulen und ihren Lehrkräften, begrüßte er auch Nachkommen der Familie Fechheimer an deren letzten freiwillig gewählten Wohnsitz in der Raststraße 8.
Aus Brazilien, Israel, Portugal, Amsterdam, Singapur und den USA waren sie nach Coburg gekommen. Im Namen der ganzen Familie sprach Daniela Fechheimer Goldin: „Wir danken der Coburger Bevölkerung – fürs Erinnern, fürs Mitfühlen und dafür, dass sie die Geschichte dieser Stadt in ein bewusstes und mitfühlendes Handeln verwandeln. Für uns alle ist es das erste Mal, dass wir hier stehen – an dem Ort, an dem die Geschichte begann. Eine Geschichte, die über Jahrzehnte verloren, verstummt und schlicht vergessen war. Heute kehrt die Erinnerung zurück.“ Vor dem Haus Raststraße 8 erinnern jetzt vier Steine an Otto Fechheimer, Walter Fechheimer, Hugo Fechheimer und Frieda Fechheimer. Die Familie betrieb Coburgs erstes vollwertiges Kaufhaus in der Spitalgasse 12.
Nicht nur für die Familie Fechheimer wurden am 31. Oktober 2025 Stolpersteine verlegt. Die messingfarbenen Pflastersteine, auf denen die Lebensdaten von Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eingraviert sind, erinnern an insgesamt zehn Schicksale. Jeweils vor dem letzten freiwillig gewählten Wohnort gaben die Schüler*innen auf ihre Weise einen Einblick in die Biographien. Mal als Erzählung aus der Ich-Perspektive, mal als Tagebucheintrag, mal als Interview. Als eine Schülerin der CO 1 im Namen von Harry Hans Klein vor der Callenberger Straße 18 fragte, wie die Jugendlichen von heute über Flüchtlinge redeten, waren Flucht und Vertreibung plötzlich keine Vergangenheit mehr. „Ihr haltet die Erinnerung lebendig, das lässt hoffen“, dankete 3. Bürgermeister Can Aydin den beteiligten Jugendlichen, ihren Lehrkräften und der städtischen Kulturabteilung.
Raststraße 8
Hugo Fechheimer
Hugo Fechheimer kam am 29. Juli 1874 in Mitwitz (Königreich Bayern) zur Welt. Mit seinen Eltern zog er 1876 nach Coburg. Er heiratete am 12. Juni 1905 in Nürnberg die Kaufmannstochter Frieda Schwarzbauer. 1933 floh das Paar nach Amsterdam. 1939 wanderten sie nach Brasilien aus. Hugo Fechheimer starb am 17. Dezember 1949 im Alter von 75 Jahren in Rio de Janeiro
Frieda Fechheimer
Frieda Fechheimer kam am 16. Dezember 1876 in Nürnberg (Königreich Bayern) zur Welt. Am 12. Juni 1905 heiratete sie den Coburger Kaufmannssohn Hugo Fechheimer. 1933 floh das Paar nach Amsterdam. 1939 wanderten sie nach Brasilien aus. Sie starb am 20. Juni 1953 im Alter von 76 Jahren in Rio de Janeiro.
Otto Fechheimer
Otto Fechheimer kam am 21. März 1908 in Coburg zur Welt. Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 1933 und 1937 wanderte er nach Brasilien aus, nachdem zuvor nach Amsterdam geflohen sein soll. Er starb am 18. November 1987 im Alter von 79 Jahren in Rio de Janeiro
Walter Fechheimer
Walter Fechheimer kam am 17. Oktober 1911 in Coburg zur Welt. Im Mai 1933 floh er nach Amsterdam. Dort heiratete er 1940 Fanny Horowitz. Am 15. Juli 1942 wurde das Ehepaar deportiert. Walter Fechheimer starb am 13. August 1942 im Alter von 30 Jahren in Auschwitz.
Kreuzwehrstraße 9
Klara Altmann
Klara Altmann kam am 14. September 1866 in Bibra (Herzogtum Meiningen) zur Welt. Am 4. September 1894 heiratete Klara in Saalfeld den Kaufmann Jakob Altmann. Mit der Eheschließung verlegte sie ihren Wohnsitz nach Coburg. Anfang November 1938 wurde sie — noch vor den Novemberpogromen — in die Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg eingewiesen. Angaben zur Art der Erkrankung liegen nicht vor. Klara Altmann verstarb am 27. Dezember 1938 im Alter von 72 Jahren. Als Todesursache ist „Lungenentzündung“ dokumentiert.
Fritz Altmann
Fritz Altmann kam am 25. Mai 1896 in Coburg zur Welt. Altmann verließ unter diesem akuten Verfolgungsdruck am 14. April 1933 Coburg. Ihm gelang die Ausreise nach Palästina wahrscheinlich auf legalem Weg über ein Einreisezertifikat bis spätestens 1939. Der genaue Todestag von Fritz Altmann sowie sein Familienstand (Heirat, Kinder) lassen sich auf Grundlage der bisher ausgewerteten Akten nicht verifizieren.
Callenberger Straße 18
Harry Hans Klein
Hans Klein kam am 16. November 1912 in Coburg zur Welt. Im Oktober 1937 verließ Hans Klein Coburg und emigrierte nach Kolumbien. Im September 1948 reiste er per Schiff in die Vereinigten Staaten ein und nahm in Chicago Wohnsitz. Ab Juni 1949 führte er den Rufnamen „Harry“. In den USA heiratete Klein Lotte Bloomfield, geborene Rosenthal. Die Ehe blieb kinderlos. Harry Hans Klein starb am 2. November 1988 im Alter von 75 Jahren in Evanston, Illinois, einer Stadt nördlich von Chicago.
Kanonenweg 33
Gerhard Klein
Gerhard Klein kam am 10. Juni 1923 in Coburg zur Welt. Nachdem Gerhard und seine Schwester Ursula Klein Mitte März 1936 in Coburg ihre Ausreisepapiere erhalten hatten, verließen sie kurz darauf die Vestestadt und betraten am 11. Mai 1936 erstmals Palästina. Die Geschwister fanden in Tel Aviv eine neue Heimat. Gerhard Klein starb am 1. April 1983 im Alter von 59 Jahren in Haifa.
Ursula Klein
Ursula Klein kam am 13. Mai 1925 in Coburg zur Welt. Nachdem Ursula und ihr Bruder Gerhard Klein Mitte März 1936 in Coburg ihre Ausreisepapiere erhalten hatten, verließen sie kurz darauf die Vestestadt und betraten am 11. Mai 1936 erstmals Palästina. Die Geschwister fanden in Tel Aviv eine neue Heimat. Etwa 1947 kehrte Ursula nach Deutschland zurück und begann ein Studium der Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Nach ihrem Abschluss ging sie um 1955 in die Vereinigten Staaten, wo sie in Kansas City ein Weiterbildungsjahr absolvierte. Ursula Klein starb am 30. Oktober 1959 im Alter von 34 Jahren in Oklahoma City.
Stolperstein-Portal
In wenigen Tagen finden Sie die ausführlichen Biographien zu den neuen Stolpersteinen im Stolperstein-Portal der Stadt Coburg. Dort sind auch die Lebensgeschichten zu allen anderen Stolpersteinen aufgelistet.
Der Künstler Günther Demning hat die Stolpersteine 1992 ins Leben gerufen, um an das Schicksal der Menschen zu erinnern, die in der Zeit des NS-Regiems verfolgt, vertrieben, deportiert, ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden.
Die Stolpersteine tragen eine kleine Tafel aus Messing, in der die Namen und Lebensdaten der Personen eingeprägt sind. So weit möglich werden sie vor dem Haus verlegt, das die genannte Person zu letzt freiwillig bezogen hat.
Seite übersetzen mit Google Translate in:
Seite übersetzen mit Google Translate in:
Hinweis: Nach Auswahl einer Sprache wird Google Translate aktiviert und es werden Daten an Google übertragen.