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Stadt Coburg

Stolperstein

Meta Saalfeld, geb. Fleischer

Inhalt

  1. Biographie
  2. Leben in Bayreuth
  3. Heirat und Umzug nach Coburg
  4. Wachsender Antisemitismus
  5. NS-Zeit
  6. Deportation und Tod
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Meta Saalfeld (ki-bearbeitet)

Meta Fleischer kam am 28. Oktober 1890 in Bayreuth (Königreich Bayern) zur Welt.[1] Ihr Vater Ludwig Fleischer wurde in Aufseß in der Fränkischen Schweiz (Königreich Bayern), ihre Mutter Frieda Fleischer, geborene Einstein, am 23. August 1868 in Fürth (Königreich Bayern) geboren. Meta hatte eine Schwester[2]:

  • Else Fleischer (geboren am 8. September 1889 in Bayreuth)

Leben in Bayreuth

Meta Fleischer wuchs in der wohlhabenden jüdischen Gemeinde von Bayreuth auf, die im 18. Jahrhundert unter Markgraf Friedrich III. von Brandenburg-Bayreuth gegründet worden war. Die Gemeinde verfügte über zahlreiche Einrichtungen wie eine Synagoge, eine Schule und eine Kuranstalt für jüdische Patienten.[3]  Ihr Vater, Ludwig Fleischer, war Kaufmann und führte ab 1897 ein Handelsunternehmen für Hopfen und Pech.[4] Die meisten Bayreuther Juden arbeiteten damals jedoch im Textilhandel und betrieben die drei großen Kaufhäuser der Stadt.[5] Seit 1896 ging Meta in Bayreuth zur Schule, die sie nach etwa zehn Jahren abschloss.

Heirat und Umzug nach Coburg

Am 15. März 1913 heiratete Meta Fleischer in Nürnberg den Stettiner Kaufmann und Kleiderfabrikanten Martin Saalfeld (Öffnet in einem neuen Tab).[6] Er war ebenfalls Jude und wurde am 8. August 1877 in Cammin (Königreich Preußen) geboren.[7] Ihre Schwiegereltern waren Samuel Saalfeld und Lea Saalfeld, geborene Burchard. Das Ehepaar, welches zunächst in Stettin lebte, blieb kinderlos. In der Ehe übernahm Meta die Rolle der Hausfrau.  

Eine große Änderung stellte sich in Metas Leben schließlich im Jahr 1912 ein. Ihr Ehemann veräußerte seine Kleiderfabrik in Stettin und stieg in die Firma seines Schwagers Ivan Bernstein ein, der in Coburg seit 1905 eine Möbelfabrik betrieb.[8] Mit dem Einstieg von Martin Saalfeld wandelte sich die Fabrik in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit einem Stammkapital von 200.000 Mark um. Metas Ehemann übernahm dabei die Position eines Geschäftsführers.[9] Beide lebten zunächst in einer Wohnung des Hauses Ketschendorfer Straße 22, zogen aber im Jahr 1915 in die Bahnhofstraße (Haus-Nr. 25) um.[10]

Wachsender Antisemitismus

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges änderte sich das Leben für Juden in Coburg fast schlagartig. Viele Coburger machten sie für die Niederlage und das daraus resultierende wirtschaftliche und politische Chaos verantwortlich. So waren es zunächst Flugblätter, Zeitungsartikel, Plakate und Vorträge, die ab 1919 gegen die vermeintlichen Schuldigen für die Misere hetzten. Zusammen mit dem frühen Aufstieg des Nationalsozialismus in der Vestestadt bildete dies die Basis für die späteren Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung. In einer ersten Stufe, welche nach der Machtübernahme der Coburger Nationalsozialisten im Jahr 1929 einsetzte, nahmen zunächst die Beschädigungen gegen jüdisches Eigentum und Körperverletzungen gegen einzelne jüdische Bürger massiv zu. Die Juden ihrerseits versuchten sich in dieser Phase mit Anzeigen und Gerichtsprozessen zur Wehr zu setzen. Gebracht hat dies allerdings nichts. Unter dem Eindruck dieser Entwicklung verließen viele Juden die Vestestadt, nachdem bis 1925 ein Anstieg der jüdischen Einwohnerzahlen zu verzeichnen war. Umfasste die jüdische Gemeinde 1925 noch 316 Personen, so sank deren Zahl bis 1933 auf 233 ab.[11] Über antisemitische Übergriffe auf Meta Saalfeld ist in dieser Zeit nichts bekannt.

NS-Zeit

Wohnhaus der Familie Saalfeld in der Raststraße (ki-bearbeitet)

Nach Hitlers Machtübernahme im Jahr 1933 blieb das Ehepaar Saalfeld zunächst von Schikanen und Repressalien verschont. Den zunehmend verschärften antijüdischen Gesetzen konnten sie sich aber nicht entziehen. Nach der Einführung der Nürnberger Rassengesetze im Jahr 1935 verschärften sich diese Maßnahmen nochmals und erreichten 1938 einen traurigen Höhepunkt. Besonders die Ereignisse der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 hatten gravierende Folgen für das Paar.

Unmittelbar nach der Reichspogromnacht, wurden Meta und ihr Ehemann am 10. November 1938 aus ihrer Wohnung, die sich seit 1935 im Hause Raststraße 11 befand,[12] herausgeholt, mit anderen Coburger Juden durch die Stadt getrieben und schließlich auf dem Marktplatz öffentlich gedemütigt. Während die Frauen und Kinder anschließend nach Hause zurückkehren durften, wurden Martin Saalfeld und andere jüdische Männer in die alte Angerturnhalle gebracht. Ursprünglich sollten 16 von ihnen in das Konzentrationslager Dachau deportiert werden, doch wegen Überfüllung des Lagers wurden sie stattdessen in das Gefängnis in Hof an der Saale gebracht.[13] Wahrscheinlich befand sich auch Martin Saalfeld unter ihnen, da auf Anordnung des Chefs der Sicherheitspolizei, Reinhard Heydrich, vor allem wohlhabende Juden verhaftet werden sollten.[14] Man hatte Saalfeld seitens der NS-Behörden schon vor der Reichspogromnacht verdächtigt, über ein beträchtliches Vermögen zu verfügen. Im Sommer 1938 hatte deshalb der Steuerfahndungsdienst die Geschäftsräume und die Wohnung von Meta und Martin Saalfeld durchsucht. Die NS-Behörden warfen ihm dabei vor, nicht dem Finanzamt gemeldetes und damit illegales Vermögen angehäuft zu haben, um damit ins Ausland flüchten zu können.[15]

Metas Ehemann wurde aber gezwungen, eine „Judenvermögensabgabe“ als „Sühneleistung“ zu zahlen. Diese Maßnahme war eine Reaktion auf das Attentat des polnischen Juden Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst von Rath in Paris. Rechtsgrundlage hierfür war die Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit vom 12. November 1938.[16]

Am selben Tag, dem 12. November 1938, wurde auch die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ erlassen. Diese entzog jüdischen Geschäftsleuten das Recht, ein Gewerbe zu betreiben. Jüdische Unternehmen mussten bis zum 31. Dezember 1938 schließen.[17] Davon betroffen war auch die Firma von Martin Saalfeld, der 1930 eine Korb- und Spielwarenmanufaktur ins Leben rief.[18]  Viele Betriebe konnten jedoch in dieser kurzen Zeit nicht liquidiert werden, da noch Aufträge abzuarbeiten und Lieferverträge zu erfüllen waren. Aus diesem Grund wurde der Betrieb von Martin Saalfelds Firma erst am 21. März 1939 eingestellt, und die verbliebenen Beschäftigten wurden entlassen.[19] 

Durch diese Ereignisse verloren Meta Saalfeld und ihr Ehemann ihre wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen. Infolgedessen versuchten beide, das Land zu verlassen. Doch bürokratische Hindernisse verhinderten ihre Flucht. Am 23. Oktober 1941 erließ das Reich schließlich ein generelles Ausreiseverbot für alle deutschen Juden.[20]

Deportation und Tod

Einwohnermeldekarte von Martin und Meta Saalfeld

Am 27. November 1941 wurden Meta Saalfeld und ihr Ehemann mit 23 anderen Coburger Juden deportiert oder, wie es in der Tarnsprache der Nationalsozialisten hieß "evakuiert".[21] Diese Deportation fand im Rahmen der zweiten Phase des Holocausts statt, die als „Deportations- und Vernichtungsphase“ bezeichnet wird. Diese Phase begann 1941, nachdem die nationalsozialistische Führung die systematische Vernichtung der europäischen Juden beschlossen hatte. Eine gesetzliche Grundlage dafür war das am 23. Oktober 1941 erlassene Ausreiseverbot für Juden aus dem Deutschen Reich. Ergänzt wurde dies durch eine Anordnung vom 4. November 1941, die vorsah, Juden in den folgenden Monaten in die von Deutschland besetzten Ostgebiete abzuschieben.[22]

Martin und Meta Saalfeld wurden über Nürnberg nach Riga transportiert. Für die Deportation stellte man ihm Fahrtkosten in Höhe von 60 Reichsmark in Rechnung. Die Bedingungen während der Fahrt waren unmenschlich: Die Deportierten wurden in überfüllten, unbeheizten Waggons ohne ausreichende Versorgung untergebracht. Während der gesamten Reise erhielten die 1010 Menschen an Bord nur zweimal Wasser.[23] Am 2. Dezember 1941 erreichte der Zug das Lager Jungfernhof bei Riga.[24]

Das Lager befand sich auf einem großen landwirtschaftlichen Anwesen, das jedoch völlig ungeeignet war, Tausende von Menschen unterzubringen. Bis Januar 1942 stieg die Zahl der Gefangenen dort auf etwa 4000 Personen. Sie mussten in Scheunen und Ställen übernachten. Die wenigen Gebäude waren unbeheizt und in einem schlechten baulichen Zustand, was dazu führte, dass viele der Inhaftierten schwer erkrankten und starben. Im Winter 1941/42 kamen in Jungfernhof zwischen 800 und 900 Menschen ums Leben – durch Erfrierungen, Unterernährung oder Seuchen. Eine medizinische Versorgung gab es kaum. Ab Januar 1942 wurden kranke Gefangene erschossen und in Massengräbern verscharrt.[25]

Mit der Ankunft in Jungfernhof verliert sich die Spur von Meta Saalfeld. Wann sie starb, lässt sich anhand fehlender Unterlagen nicht mehr ermitteln. Ihr Vermögen, bestehend aus verschiedenen Gegenständen, Wertpapieren, Bildern und einem Bankkonto, fiel aufgrund einer Weisung des Reichsfinanzministeriums vom November 1941 unter dem Decknamen „Aktion 3“ weitgehend dem Deutschen Reich zu.[26] Ein Teil des Besitzes wurde aber auch von lokalen Behörden einbehalten: So ersetzte der Stadtrechtsrat Schulze-Döbold sein Arbeitszimmer im Rathaus durch das Herrenzimmer der Familie Saalfeld.[27] Ein Zimmerteppich ging an Oberbürgermeister August Greim, der fortan das Arbeitszimmer des Stadtoberhaupts schmückte. Die Städtischen Sammlungen erhielten aus dem Saalfeldischen Besitz einen Stahlstich im Wert von 15 Reichsmark und eine Zeichnung im Wert von drei Reichsmark.[28]

Das Gesamtvermögen des Ehepaars Saalfeld belief sich auf etwa 26.100 Reichsmark (heute ca. 120.000 Euro). Davon mussten jedoch noch Verbindlichkeiten in Höhe von 3.858,45 Reichsmark beglichen werden. Dazu zählten unter anderem eine Kontoschuld bei der Bayerischen Staatsbank in Höhe von 3.195 Reichsmark (heute ca. 14.700 Euro) sowie Instandsetzungskosten von 300 Reichsmark (heute ca. 1.400 Euro), die ihr ehemaliger Vermieter Alfred Pensky für die Renovierung ihrer Wohnung in Rechnung stellte. Das verbleibende Vermögen von 22.287,42 Reichsmark (heute ca. 102.500 Euro) eignete sich das Deutsche Reich an.[29] Schließlich wurde Meta Saalfeld am 19. Februar 1942 die Staatsbürgerschaft entzogen.[30]

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]   Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Saalfeld, Martin und Meta; Siehe auch: Staatsarchiv Coburg: AG Co. 38666, fol.7.

[2]   Staatsarchiv Coburg: AG Co. 38666, fol.1,5.

[3]   Klaus-Dieter Alicke, Bayreuth (Oberfranken/Bayern), in: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum (https://www.xn--jdische-gemeinden-22b.de/index.php/gemeinden/a-b/346-bayreuth-bayern (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen am 25.10.2024.

[4]   "Bayerische Handelszeitung" vom 14.08.1897, S. 497. 

[5]   Alicke, Bayreuth.

[6]   Staatsarchiv Coburg: AG Co. 38666, fol.12.

[7]   Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Saalfeld, Martin und Meta. 

[8]   "Coburger Zeitung" vom 23.02.1905.

[9]   "Coburger Zeitung" vom 26.04.1912. 

[10]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Saalfeld Martin und Meta.

[11]  Zusammenfassung von Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001. 

[12]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Saalfeld Martin und Meta.

[13]  Die Beschreibung dieses Ereignisses bei Fromm, Coburger Juden, S. 95ff.

[14]  Abgedruckt bei: Hans-Jürgen Döscher, 'Reichskristallnacht'. München 2000, S. 95.

[15]  Staatsarchiv Coburg, Finanzamt Coburg Altbestände 220, Niederschrift über den Befund des Schließfaches von Martin Saalfeld, Coburg, 9.6.1938.

[16]  RGBl, I 1938, S. 1579.

[17]  RGBl, I 1938, S. 1902. 

[18]  Adreß-Buch von Coburg (Stadt und Land), Ausgabe: Ende Januar 1931, Coburg 1931, S. 150.

[19]  Stadtarchiv Coburg, A 11.291, fol. 27.

[20]  Geheimer Erlass des Reichssicherheitshauptamts vom 23.10.1941: „[Verbot der Auswanderung von Juden]: Die Auswanderung Juden aus Deutschland ist ausnahmslos für die Dauer des Krieges verboten.“ Text bei: Walk, Joseph (Hrsg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, Karlsruhe 1981, S.353.

[21]  Fromm, Coburger Juden, S. 130f.; Siehe auch: Staatsarchiv Coburg: AG Co. 38666, fol.21.

[22]  Schreiben des Reichsministeriums für Finanzen vom 4.11.1941: „Abschiebung von Juden: Juden, die nicht in volkswirtschaftlich wichtigen Betrieben beschäftigt sind, werden in den nächsten Monaten in die Ostgebiete abgeschoben. Das Vermögen der abzuschiebenden Juden wir zugunsten des Deutschen Reichs eingezogen, außer 100 RM und 50 kg Gepäck je Person. […]“. Text bei: Walk, Sonderrecht, S. 354.

[23]  Fromm, S. 130f.; Siehe auch: Statistik und Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich. Nürnberg – Würzburg nach Riga. Abfahrtsdatum 29.11.41, Deportierte 1010 (https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_bay_411129.html (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 12.07.2024.

[24]  Ekkehard Hübschmann, Die Deportation von Juden aus Franken nach Riga, in: Frankenland. Zeitschrift für Fränkische Landeskunde und Kulturpflege 56 (2004), S. 344. 

[25]  Andrej Angrick / Peter Klein, Die „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und Vernichtung 1941-1944, Darmstadt 2006, S. 217, 220; Siehe auch: Wolfgang Scheffler, Das Schicksal der in die baltischen Staaten deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden 1941-1945. Ein historischer Überblick, Bd. 1, München 2003, S. 10.

[26]  Staatsarchiv Coburg, Finanzamt Coburg 248.

[27]  Stadtarchiv Coburg, A 8391, Abschrift des Vernehmungsprotokolls der Kriminalpolizei von Alfred Sauerteig, 24. 08.1945.

[28]  Städtische Sammlungen Coburg, Altakten, Schriftliche Überlieferung 1925-66, 09-Aufstellung über abgegebene Bilder – Büromöbel aus jüdischen Nachlässen, 1942, Bl. 2.

[29]  Staatsarchiv Coburg, Finanzamt Coburg 248.

[30]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnermeldekartei, Saalfeld, Martin und Meta.

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Meta Saalfeld hat Siegrid Ott-Beterke übernommen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Stadt Coburg
  • Christian Boseckert
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