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Biographie
Fritz Altmann kam am 25. Mai 1896 in Coburg zur Welt.[1] Seine Eltern waren Jakob Altmann (Öffnet in einem neuen Tab) und Klara Altmann (Öffnet in einem neuen Tab), geb. Sachs. Fritz war Einzelkind.
Jugend in Coburg
Seine Kindheit verbrachte Fritz Altmann in Coburg. Sein Vater Jakob führte zusammen mit seinem Bruder Israel (Öffnet in einem neuen Tab) seit 1894 in der Rückertstraße eine offene Handelsgesellschaft für Korb-, Kurz- und Galanteriewaren.[2] Dieses Geschäft wuchs um 1905 zu einer prosperierenden Korbwarenfabrik heran, die ihren Sitz in der Kreuzwehrstraße Nr. 9 hatte.[3] Das Haus war im Jahr 1900 von den Brüdern Altmann erworben worden.[4]
Die wirtschaftliche Tätigkeit der Familie Altmann in diesem Zeitraum ist ein Beispiel für die Hochindustrialisierung im Deutschen Kaiserreich. Viele jüdische Kaufleute zogen aus ländlichen Regionen in prosperierende Städte wie Coburg, was auch zum Wachstum der jüdischen Gemeinde beitrug: Sie wuchs von 68 Mitgliedern (1869) auf 313 Mitglieder (1910).[5]
Fritz Altmann besuchte damals vier Jahre lang die Volksschule und war ab dem Frühjahr 1906 Schüler der Herzoglichen Oberrealschule Ernestinum.[6] Er absolvierte wahrscheinlich im Jahr 1909 in der hiesigen Synagoge seine Bar Mitzwa. Zu Ostern 1915 legte er die Reifeprüfung ab und wurde unmittelbar danach zum Kriegsdienst in das Deutsche Heer eingezogen, wo er als Soldat am Ersten Weltkrieg teilnahm.[7]
Wachsender Antisemitismus
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 durchlief Coburg tiefgreifende gesellschaftliche und politische Umbrüche, die zur instabilen Lage der Weimarer Republik beitrugen. Vor dem Hintergrund dieser Krise erstarkten auch in der Vestestadt antisemitische Einstellungen und völkische Bewegungen.
Die NSDAP gewann in Coburg früh Anhängerschaft. Ab 1922 wurden Aufmärsche, Propagandaveranstaltungen und gewalttätige Aktionen, insbesondere nach dem Wahlausgang von 1929, wo die Nationalsozialisten die absolute Mehrheit im Stadtrat erlangten, zu einem massiven Problem. Für diese Phase sind Angriffe auf jüdische Geschäftsinhaber, Sachbeschädigungen und tätliche Übergriffe belegt. Ein juristischer Schutz der jüdischen Bürger war oft nur eingeschränkt vorhanden, da strafrechtliche Konsequenzen in vielen Fällen ausblieben oder Sanktionen gering waren.[8]
In dieser Zeit ist für Fritz Altmann ein konkreter Übergriff belegt: Im Januar 1930 wurde er in der Mohrenstraße von einem Trupp Nationalsozialisten attackiert und geschlagen. Die Täter blieben den Polizeiakten zufolge unerkannt.[9] Trotz der wachsenden Anfeindungen blieb Altmann für Coburg ein Vorzeigesportler: Er erwarb Ende 1929 das Deutsche Sportabzeichen in Silber und galt als leistungsstarker Fechter.[10]
Altmann unterstützte aber auch ideell den zionistischen Aufbau in Palästina. Im Dezember 1921 fungierte er als Versammlungsleiter eines frühen zionistischen Vortrags in Coburg ("Der Aufbau Palästinas und das Weltjudentum").[11] Die Formulierung „zionistisch“ bezieht sich hier auf die zeitgenössische Vorstellung einer jüdischen Nationalheimstätte in Palästina. Der spätere Staat Israel bestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Beruflich arbeitete er als Kaufmann im florierenden Unternehmen seines Vaters und Onkels. Vor 1921 und zwischen 1923 und 1924 lebte und arbeitete er in Nürnberg.[12] Die Firma Altmann hatte den Ersten Weltkrieg durch die Produktion von Geschosskörben für die Heeresverwaltung überstanden. Sie florierte auch danach durch rege Reisetätigkeit, die Teilnahme an Messen (Frankfurt am Main, Leipzig) und die Belieferung von Großkunden wie dem amerikanischen Warenhauskonzern Woolworth.[13]
NS-Zeit
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 30. Januar 1933 und der anschließenden Gleichschaltung verschlechterte sich die Lage für jüdische Bürger dramatisch. Obwohl keine direkten Belege für eine „Schutzhaft“ oder die Misshandlung Altmanns in der sogenannten „Prügelstube“ vorliegen, sind für Coburg im Frühjahr 1933 Misshandlungen, Boykottaktionen und Einschüchterungen gegen jüdische Geschäfte und Unternehmen belegt.[14]
Altmann verließ unter diesem akuten Verfolgungsdruck – hier ist u. a. der reichsweite Boykottaufruf gegen jüdische Geschäfte, Firmen, Ärzte und Rechtsanwälte vom 1. April zu nennen – am 14. April 1933 Coburg und ging nach Unteralba (heute Ortsteil von Bad Salzungen, Thüringen).[15] Es ist davon auszugehen, dass dieser Weggang der direkten Flucht vor der nationalsozialistischen Gewalt diente. Ob Unteralba Ziel- oder nur Zwischenaufenthalt war, muss aufgrund der schlechten Quellenlage unklar bleiben.
Der weitere Lebensweg von Altmann zwischen 1933 und seiner Ankunft in Palästina ist nicht lückenlos dokumentiert. Sein früheres zionistisches Engagement und die zunehmende Verfolgung in Deutschland legen jedoch nahe, dass er die Emigration nach Palästina gezielt anstrebte. Die Ausreise war mit erheblichen bürokratischen (Zertifikate, Papiere) und finanziellen Hürden (Reichsfluchtsteuer, Devisenbeschränkungen) verbunden, die durch Organisationen wie den Hilfsverein der Juden in Deutschland und die Jewish Agency unterstützt werden mussten.
Flucht und Leben in Israel
Fritz Altmann gelang die Ausreise nach Palästina wahrscheinlich auf legalem Weg über ein Einreisezertifikat bis spätestens 1939. Polizeiunterlagen belegen, dass er im Jahr 1942 in Akko lebte.[16] Später zog er in die Hafenstadt Haifa, wo er 1948 die Gründung des Staates Israel erlebte.[17]
Im selben Jahr bemühte sich Altmann um die Rückgabe des enteigneten Vermögens seiner Familie. Die Nationalsozialisten hatten unter anderem Bankkonten, Wertpapiere, Gold, Möbel, Silber und Schmuck im Jahr 1942 liquidiert. Das Wiedergutmachungsverfahren zog sich bis 1974 hin und endete mit einer finanziellen Entschädigung.[18]
Der genaue Todestag von Fritz Altmann sowie sein Familienstand (Heirat, Kinder) lassen sich auf Grundlage der bisher ausgewerteten Akten nicht verifizieren. Die letzte gesicherte Erwähnung Altmanns stammt aus den Akten des Wiedergutmachungsverfahrens von 1974.
Quellen- und Literaturverzeichnis
[1] Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Altmann, Fritz.
[2] Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg vom 19.09.1894, S. 503.
[3] Adreß-Buch für die Herzogliche Residenzstadt Coburg 1905, Coburg 1905, S. 104.
[4] Eva Karl, „Coburg voran!“ Mechanismen der macht – Herrschen und Leben in der „ersten nationalsozialistischen Stadt Deutschlands“, Regensburg 2025, S. 623.
[5] Vgl. Hubert Fromm, Die Israelitische Kultusgemeinde – 1873 bis 1942, in: Hubert Fromm (Hrsg.): Die Coburger Juden. Geduldet – Geächtet – Vernichtet, 3.Aufl., Coburg 2012, S.301-314, hier S.314.
[6] Staatsarchiv Coburg: Ernestinum 31, Reifezeugnis.
[7] Ebd.
[8] Vgl. Karl, Coburg voran!, S. 39-172.
[9] Fromm, Coburger Juden, S. 47.
[10] Aus Alter und Neuer Zeit, Beilage zur Nr. 5 vom 31.01.1929; vgl. Coburger Zeitung vom 14.11.1928.
[11] Jüdische Rundschau vom 20.01.1922.
[12] Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Altmann, Fritz.
[13] Karl, Coburg voran, S. 623.
[14] Vgl. Fromm, Coburger Juden, S. 60-76.
[15] Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Altmann, Fritz.
[16] Mitteilung der Israel Genealogy Resarch Association vom 16.10.2024.
[17] Staatsarchiv Coburg, Amtsgericht Coburg 49573, fol. 3, Staatsarchiv Nürnberg, Wiedergutmachungsbehörde IIIa N 1417.
[18] Staatsarchiv Nürnberg, Wiedergutmachungsbehörde IIIa N 1417 und N 1785.
Patenschaft
Die Patenschaft über den Stolperstein von Fritz Altmann hat Christian Köhler übernommen.,
