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Stadt Coburg

Stolperstein

Klara Altmann, geb. Sachs

Inhalt

  1. Biographie
  2. Jugendjahre
  3. Heirat und Umzug nach Coburg
  4. Wachsender Antisemitismus
  5. NS-Zeit und Tod
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Klara Altmann (ki-bearbeitet)

Klara Altmann kam am 14. September 1866 in Bibra (Herzogtum Meiningen) zur Welt.[1] Ihr Vater Moses Sachs wurde am 6. August 1823 in Bibra, ihre Mutter Charlotte Sachs, geb. Seligmann, zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt geboren. Klara hatte drei ältere Schwestern:  

  • Ida Sachs (geboren am 11. August 1859 in Bibra)
  • Amalie Sachs (geboren am 25. September 1861 in Bibra)
  • Bertha Sachs (geboren am 28. Dezember 1863 in Bibra)

Jugendjahre

Zwischen den 1860er und den 1890er Jahren erreichte die jüdische Gemeinde in Bibra eine Phase demografischer Expansion und institutioneller Konsolidierung. Rechtliche Öffnungen der Jahrzehnte zuvor (u. a. die Möglichkeit zum Erwerb von Grundbesitz seit 1839) sowie der zuvor erfolgte institutionelle Ausbau (Einweihung der Synagoge um 1845 mit angegliederter Lehrerwohnung und Schulraum) bildeten wichtige Voraussetzungen. Für 1875 sind 118 jüdische Einwohner (ca. 20 % der Dorfbevölkerung) belegt. 1885 sind es 134 und 1892 etwa 115. Diese Entwicklung deutet auf einen Höchststand um die Mitte der 1880er Jahre hin.[2]

Das Bildungswesen passte sich den allgemeinen Rahmenbedingungen an: Die 1835 zur jüdischen Elementarschule erweiterte Religionsschule bestand etwa vier Jahrzehnte und wurde Mitte der 1870er Jahre aufgegeben. Seither besuchten die Kinder die örtliche Volksschule, während der Religionsunterricht weiterhin getrennt erteilt wurde. Trotz des Wachstums entstand jedoch kein eigener Friedhof. Bestattungen erfolgten im nahegelegenen Bauerbach.[3]

Insgesamt lässt sich die Zeit zwischen 1860 und 1900 als Periode der alltäglichen Verankerung jüdischen Lebens im Dorf beschreiben. Dieses war getragen von stabilen Gemeindestrukturen, jedoch ohne vollständige traditionelle Infrastruktur vor Ort.

Klara Altmann wuchs in dieser Phase der Konsolidierung auf. Nach den vorliegenden Quellen besuchte sie ab 1872 die jüdische Schule. Ihr Vater, als Kommissionär (Kommissionshändler) tätig, verstarb 1876, als Klara zehn Jahre alt war.[4] Die jüdischen Familien in Bibra lebten zunächst überwiegend vom Handel mit Vieh, Stoffen, Textilien und Kleinwaren. Später finden sich unter den jüdischen Einwohnern auch Handwerker (etwa Metzger und Schneider), ein Landwirt sowie mehrere Ladeninhaber (u. a. eine Kolonialwarenhandlung). Hinweise auf die Einbindung in das dörfliche Leben sind erkennbar.[5] Nach Abschluss der Schulzeit verließ Klara 1890 gemeinsam mit ihrer Mutter Charlotte den Ort und zog nach Leipzig.[6]

Heirat und Umzug nach Coburg

Wohnhaus der Familie Altmann in der Kreuzwehrstraße

Am 4. September 1894 heiratete Klara in Saalfeld den Kaufmann Jakob Altmann (Öffnet in einem neuen Tab).[7] Dieser wurde am 20. Dezember 1867 in Lendershausen (Königreich Bayern) geboren. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor: Fritz (Öffnet in einem neuen Tab) (geb. 25. Mai 1896).[8] Die Eltern Jakobs waren der Metzgermeister Feivel Altmann und Babette Altmann, geb. Pauson. Jakob Altmann führte in Coburg gemeinsam mit seinem Bruder Josef ein Handelshaus für Korb-, Kurz- und Galanteriewaren.[9] Nach 1900 lässt sich eine Ausweitung der Tätigkeit belegen. Spätestens Mitte der 1900er Jahre bestand ein Korbwarenbetrieb im Fabrikmaßstab.[10]

Mit der Eheschließung verlegte Klara ihren Wohnsitz nach Coburg. Nach den vorliegenden Adressangaben wohnte das Ehepaar zunächst in der Rückertstraße 2 und zog spätestens 1903 in das Haus Kreuzwehrstraße 9 um.[11] Das Anwesen erwarben die Brüder Altmann im Jahr 1900 für ihren Betrieb.[12]  

Klara Altmann wird in den zeitgenössischen Angaben als Hausfrau geführt. Eine darüber hinausgehende Mitarbeit im Familienunternehmen ist möglich, wird jedoch in den vorliegenden Informationen nicht gesondert erwähnt. 

Wachsender Antisemitismus

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hatte sich das Leben für Juden in Coburg fast schlagartig verändert. Viele Coburger machten sie für die Niederlage und das daraus resultierende wirtschaftliche und politische Chaos verantwortlich. So waren es zunächst Flugblätter, Zeitungsartikel, Plakate und Vorträge, die ab 1919 gegen die vermeintlichen Schuldigen für die Misere hetzten. Zusammen mit dem frühen Aufstieg des Nationalsozialismus in der Vestestadt bildete dies die Basis für die späteren Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung. In einer ersten Stufe, welche nach der Machtübernahme der Coburger Nationalsozialisten im Jahr 1929 einsetzte, nahmen zunächst die Beschädigungen gegen jüdisches Eigentum und Körperverletzungen gegen einzelne jüdische Bürger massiv zu. Die Juden ihrerseits versuchten sich in dieser Phase mit Anzeigen und Gerichtsprozessen zur Wehr zu setzen. Gebracht hat dies allerdings nichts. Unter dem Eindruck dieser Entwicklung verließen viele Juden die Vestestadt, nachdem bis 1925 ein Anstieg der jüdischen Einwohnerzahlen zu verzeichnen war. Umfasste die jüdische Gemeinde 1925 noch 316 Personen, so sank deren Zahl bis 1933 auf 233 ab.[13] Klara und Jakob Altmann selbst blieben von Repressalien verschont. Allerdings wurde ihr Sohn Fritz bereits 1929 auf offener Straße von einem Trupp Nationalsozialisten überfallen und geschlagen.[14] Er verließ Coburg bereits im April 1933 und wanderte nach Palästina aus.[15]

NS-Zeit und Tod

Grabstätte von Klara Altmann auf dem jüdischen Friedhof

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme vom 30. Januar 1933 sind für die Familie Altmann in den bislang vorliegenden Unterlagen zunächst keine konkreten Repressionsmaßnahmen belegt. Für ihr Geschäft findet sich bisher kein Nachweis eines organisierten Boykotts im Jahr 1933. Ebenso liegen derzeit keine Belege für Misshandlungen Jakob Altmanns in der sogenannten „Prügelstube“ vor. Gleichzeitig spricht die Quellenlage dafür, dass Beschäftigte und Zulieferer im Umfeld der Korbwarenproduktion unter politischen und sozialen Druck gerieten, nicht mehr für jüdische Betriebe zu arbeiten.[16]

Die antijüdische Ausgrenzung nahm in den folgenden Jahren stufenweise zu. Spätestens seit den Nürnberger Gesetzen vom 15. September 1935 wurde die Rechtsstellung jüdischer Einwohner drastisch eingeschränkt; 1938 erfolgten weitere zentrale Maßnahmen (u. a. Vermögensregistrierung und wirtschaftliche „Arisierung“). Im November 1938 eskalierte die Gewalt gegen jüdische Menschen und Institutionen (Novemberpogrome).

In diesem Kontext erkrankte Klara Altmann schwer. Anfang November 1938 wurde sie — noch vor den Novemberpogromen — in die Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg eingewiesen.[17] Angaben zur Art der Erkrankung liegen nicht vor. Klara Altmann verstarb am 27. Dezember 1938 im Alter von 72 Jahren. Als Todesursache ist „Lungenentzündung“ dokumentiert.[18] Dieser Eintrag ist nicht ohne Weiteres als Verschleierungsdiagnose zu deuten: Für einen gezielten Transfer in eine Tötungsanstalt im Rahmen der später zentral organisierten „T4“-Aktion (ab 1939/40) gibt es in den vorliegenden Unterlagen keinen Hinweis. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass bereits 1938 in vielen Heil- und Pflegeanstalten Versorgungsengpässe und personelle Unterbesetzung bestanden, welche die Sterblichkeitsrate erhöhen konnten — ohne dass damit für Kutzenberg im konkreten Fall ein entsprechender Nachweis vorliegt.

Klara Altmanns Leichnam wurde nach Coburg überführt und auf dem jüdischen Friedhof unter der Grabnummer 204 beigesetzt.[19]

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]    Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Altmann, Jakob und Klara.  

[2]    Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Band II, S. 932 f.

[3]    Klaus-Dieter Alicke, Bibra (Thüringen), in: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum (https://www.xn--jdische-gemeinden-22b.de/index.php/gemeinden/a-b/389-bibra-thueringen (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen am 17.10.2025.

[4]    Stadtarchiv Saalfeld, Personenstandsregister, Heiratsregister, 1876-1921, Nr. 52.

[5]    Bibra (Gemeinde Grabfeld, Kreis Schmalkalden-Meiningen). Jüdische Geschichte / Synagoge, in: Alemannia Judaica (https://www.alemannia-judaica.de/bibra_synagoge.htm#Berichte%20aus%20der%20Geschichte%20der%20j%C3%BCdischen%20Gemeinde (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen am 17.10.2025. 

[6]    Stadtarchiv Saalfeld, Personenstandsregister, Heiratsregister, 1876-1921, Nr. 52; Adressbuch der Stadt Leipzig, Ausgabe 1890, Leipzig 1890, S. 384. 

[7]    Stadtarchiv Saalfeld, Personenstandsregister, Heiratsregister, 1876-1921, Nr. 52. 

[8]    Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg vom 30.05.1896, S. 340.

[9]    Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg vom 19.09.1894, S. 503.

[10]   Adreß-Buch für die Herzogliche Residenzstadt Coburg 1905, Coburg 1905, S. 104.  

[11]   Adreß-Buch für die Herzogliche Residenzstadt Coburg 1903, Coburg 1903, S. 3. 

[12]   Eva Karl, „Coburg voran!“ Mechanismen der macht – Herrschen und Leben in der „ersten nationalsozialistischen Stadt Deutschlands“, Regensburg 2025, S. 623. 

[13]   Zusammenfassung bei Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001.  

[14]   Fromm, Coburger Juden, S. 47.

[15]   Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Altmann, Fritz.

[16]   Staatsarchiv Nürnberg, Wiedergutmachungsbehörde III a 3599. 

[17]   Staatsarchiv Bamberg, Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg 26. 

[18]   Ebd. 

[19]   Friedhofsamt Coburg, Verzeichnis der auf dem Friedhof der ehem. Jüdischen Kultusgemeinde vorhandenen Grabsteine u. Denkmäler, Lfd. Nummer 118.

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Klara Altmann hat Christiane Vogt übernommen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

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  • Christian Boseckert
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