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Stadt Coburg

Stolperstein

Max Kohn

Inhalt

  1. Biographie
  2. Leben in Scheibenradisch
  3. Heirat
  4. Geschäft
  5. Wachsender Antisemitismus
  6. NS-Zeit
  7. Tod
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Max Kohn (ki-bearbeitet)

Max Kohn kam am 6. September 1881 im böhmischen Scheibenreich (Österreich-Ungarn) zur Welt.[1] Sein Vater Jakob Kohn wurde etwa 1851 geboren, seine Mutter Lori Kohn, geb. Rindskopf, kam am 30. August 1850 in Amonsgrün (Böhmen) zur Welt. Max hatte acht Geschwister:

  • Karolina Kohn (geboren am 4. April 1872 in Scheibenradisch)
  • Siegfried Kohn (Öffnet in einem neuen Tab) (geboren am 25. März 1873 in Scheibenradisch)
  • Auguste Kohn (geboren am 6. November 1874 in Scheibenradisch)
  • Fanny Kohn (geboren am 26. April 1876 in Scheibenradisch) 
  • Heinrich Kohn (geboren am 29. Januar 1879 in Scheibenradisch)
  • Berta Kohn (geboren am 20. März 1884 in Scheibenradisch)
  • Isidor Kohn (geboren am 14. Juni 1886 in Scheibenradisch)
  • Erna Kohn (geboren am 30. Juli 1891 in Scheibenradisch) 

Leben in Scheibenradisch

Im westböhmischen Dorf Scheibenradisch (tschechisch: Okrouhlé Hradiště) ist eine jüdische Ansiedlung erstmals zu Beginn des 18. Jahrhunderts nachweisbar. Die in Scheibenradisch lebenden jüdischen Familien waren spätestens ab dem frühen 19. Jahrhundert der jüdischen Kultusgemeinde im etwa vier Kilometer südlich gelegenen Weseritz (tschechisch: Bezdružice) zugeordnet, welche im Rahmen der josephinischen Reformen als offizielle Gemeinde institutionalisiert worden war. Dort befand sich auch der jüdische Friedhof, der von den Familien aus Scheibenradisch mit genutzt wurde.Trotz dieser Zugehörigkeit verfügte Scheibenradisch spätestens ab 1847 über einen eigenen Betsaal, der vermutlich in einem Privathaus untergebracht war. Eine eigenständige Synagoge ist jedoch nicht nachweisbar.  

Laut der österreichischen Volkszählung von 1857 lebten in Scheibenradisch insgesamt 387 Personen, darunter 20 jüdische Einwohner (ca. fünf  Prozent). Dies stellt den höchsten bislang dokumentierten Anteil jüdischer Bevölkerung im Ort dar. In den folgenden Jahrzehnten ging die Zahl jüdischer Bewohner infolge von Abwanderung in städtische Zentren und durch gesetzliche Gleichstellung im Rahmen der Emanzipationsgesetze deutlich zurück.[2] In dieser Zeit der Abwanderung wuchs Max Kohn auf und erlebte 1894 im Kreise seiner Familie seine Bar Mitzwa. Er selbst trug sich ebenfalls mit Gedanken, Scheibenradisch zu verlassen und in den prosperierenden Städten, sein Glück zu suchen. 

Heirat

Max Kohn heiratete am 5. Februar 1906 in Coburg Jenny Sander (Öffnet in einem neuen Tab).[3] Sie war ebenfalls Jüdin und wurde am 4. März 1881 geboren. Seine Schwiegereltern waren der Kaufmann Carl Sander und Clara Sander, geborene Bachmann. Zum Zeitpunkt der Hochzeit war Carl Sander bereits verstorben. Max und Jenny Kohn hatten zwei Söhne: Karl (Öffnet in einem neuen Tab), geboren am 2. Juli 1910[4], und Herbert (Öffnet in einem neuen Tab), geboren am 2. Dezember 1918.[5]

Geschäft

Werbeanzeige des Kaufhauses Max Kohn

Um 1905 ließ sich Max Kohn in Coburg nieder, erhielt 1913 das Bürgerrecht und wurde Mitinhaber der 1901 gegründeten Tuch- und Modehandlung seines Bruders Siegfried.[6] 

Spätestens 1913 machte sich Kohn selbstständig und eröffnete im Haus Judengasse 36 eine Modewarenhandlung.[7] 1921 folgte eine Erweiterung des Unternehmens zu einem Kaufhaus, welches im Elternhaus seiner Ehefrau Jenny im Steinweg 38 untergebracht war.[8] Während der Hyperinflation von 1923 unterstützte Kohn laut zeitgenössischer Zeitungsberichte bedürftige Familien mit unentgeltlich abgegebenen Textilwaren.[9] Diese Hilfsleistungen konnten jedoch nicht verhindern, dass auch sein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. Im Jahr 1924 wurde das Geschäft unter Zwangsverwaltung gestellt. Ziel war es, einen Konkurs abzuwenden, was aber nicht gelang:[10] Sowohl das Kaufhaus als auch die von Kohn im selben Jahr gegründeten „Coburger Hemdenwerkstätten“ mussten 1925 Konkurs anmelden.[11] 

Während die Hemdenwerkstätten in der Folge aufgelöst wurden, wurde das Kaufhaus unter der Geschäftsführung seiner Ehefrau Jenny Kohn weitergeführt. Die wirtschaftliche Lage blieb jedoch angespannt. 1928 wandte sich die italienische Firma M. Bruggisser & Co. aus Florenz an den Coburger Oberbürgermeister mit der Bitte um Vermittlung eines Rechtsanwalts zur Eintreibung offener Forderungen. Diese betrafen 60 Strohhandtaschen im Wert von jeweils 50 Reichsmark, die vom Kaufhaus Kohn bezogen worden waren.[12]

Wachsender Antisemitismus

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hatte sich das Leben für Juden in Coburg fast schlagartig verändert. Viele Coburger machten sie für die Niederlage und das daraus resultierende wirtschaftliche und politische Chaos verantwortlich. So waren es zunächst Flugblätter, Zeitungsartikel, Plakate und Vorträge, die ab 1919 gegen die vermeintlichen Schuldigen für die Misere hetzten. Zusammen mit dem frühen Aufstieg des Nationalsozialismus in der Vestestadt bildete dies die Basis für die späteren Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung. In einer ersten Stufe, welche nach der Machtübernahme der Coburger Nationalsozialisten im Jahr 1929 einsetzte, nahmen zunächst die Beschädigungen gegen jüdisches Eigentum und Körperverletzungen gegen einzelne jüdische Bürger massiv zu. Die Juden ihrerseits versuchten sich in dieser Phase mit Anzeigen und Gerichtsprozessen zur Wehr zu setzen. Gebracht hat dies allerdings nichts. Unter dem Eindruck dieser Entwicklung verließen viele Juden die Vestestadt, nachdem bis 1925 ein Anstieg der jüdischen Einwohnerzahlen zu verzeichnen war. Umfasste die jüdische Gemeinde 1925 noch 316 Personen, so sank deren Zahl bis 1933 auf 233 ab.[13]

Mit der wachsenden politischen Macht der NSDAP begannen auch konkrete Maßnahmen, die sich gezielt gegen jüdische Bürger und Firmen richteten. 1927 hetzte etwa die völkisch-nationalistische Zeitung „Weckruf“ mit dem Satz: „Das jüdische Warenhaus, der Ruin des deutschen Geschäftsmannes.“[14] Zwei Jahre später verabschiedete die NSDAP-Mehrheit im Coburger Stadtrat eine Sondersteuer auf Kaufhäuser – offiziell zur Unterstützung kleiner Einzelhändler, faktisch aber Teil einer diskriminierenden Wirtschaftspolitik gegenüber den jüdisch geführten Betrieben.[15]

Diese Sondersteuer belastete das Kaufhaus von Max Kohn zusätzlich. Im Zuge der allgemeinen Verschärfung der wirtschaftlichen Lage durch die Weltwirtschaftskrise musste Kohn schließlich im Jahr 1931 das Kaufhaus schließen.[16] In den folgenden Jahren arbeitete Max Kohn als Handelsvertreter für Seifen- und Waschmittelprodukte, verfügte aber über kein eigenes Ladenlokal mehr.[17]

NS-Zeit

Max Kohn (ki-bearbeitet)

Nach der Machtübernahme Hitlers blieb Max Kohn zunächst von direkten Repressionen verschont. Sein Geschäft wurde nicht boykottiert, und er selbst war keinen Übergriffen in der sogenannten „Prügelstube“ ausgesetzt. Für seine Familie galt dies jedoch nicht: Vor allem sein Bruder Siegfried und sein Sohn Karl wurden von SA-Männern misshandelt, die als sogenannte „Hilfspolizisten“ die städtische Polizei bei ihrer Arbeit unterstützten.[18]

Max Kohn konnte sich jedoch den zunehmend verschärften antijüdischen Gesetzen nicht entziehen. Mit der Einführung der sogenannten „Nürnberger Gesetze“ im September 1935 – insbesondere des „Gesetzes zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ – war es jüdischen Personen in Deutschland verboten, Ehen mit „Deutschblütigen“ zu schließen oder mit ihnen intime Beziehungen zu unterhalten.[19] Auf der Grundlage dieses Gesetzes wurde Max Kohn im November 1937 unter dem Vorwurf der sogenannten „Rassenschande“ verhaftet.[20]

Die nationalsozialistische Presse nutzte die Verhaftung für öffentlichkeitswirksame antisemitische Hetze. Die NS-Zeitung Bayerische Ostmark berichtete über den Fall in aggressiver Sprache und schrieb abschließend:

„Dieser Fall aber lehrt schon heute, daß Coburg sich von diesen jüdischen Elementen freihalten wird und mit aller Schärfe dort zupackt, wo ein Jude ein deutsches Mädchen zu schänden wagt.“[21] 

Wenige Tage später veröffentlichte dieselbe Zeitung ein Foto von Max Kohn mit der Überschrift: „Der Rasseschänder Kohn“ – eine gezielte öffentliche Diffamierung im Sinne der antisemitischen NS-Propaganda.[22] 

Obwohl es keine Beweise für eine Beziehung Kohns mit einer „Deutschblütigen“ gab[23], verurteilte das zuständige Landgericht Coburg den Kaufmann wegen Verstoßes gegen das Blutschutzgesetz zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren sowie zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für fünf Jahre.[24] Er wurde in das Zuchthaus Amberg überstellt.

Kurz vor dem Ende seiner Haftzeit ordnete die Geheime Staatspolizei (Gestapo) am 21. Mai 1941 seine Überstellung in das Konzentrationslager Dachau als sogenannter „Schutzhäftling“ an – eine Bezeichnung, mit der politische und rassistisch verfolgte Personen ohne Gerichtsverfahren dauerhaft inhaftiert werden konnten.[25]  Dort wurde Max Kohn am 13. Juni 1941 unter der Häftlingsnummer 26262 registriert.[26] Bereits am 5. Juli 1941 wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald verlegt,[27] wo er die Häftlingsnummer 6658 erhielt.[28] 

Tod

Inhaftierungskarte Max Kohns im KZ Buchenwald mit Angabe des Todes

Am 21. Oktober 1941 wurde Max Kohn im Alter von 60 Jahren im Konzentrationslager Buchenwald ermordet.[29] Die genauen Umstände seines Todes sind nicht dokumentiert. Seine Ehefrau Jenny Kohn erhielt wenige Wochen später eine formale Todesnachricht sowie persönliche Gegenstände, darunter Kleidungsstücke.[30] Die Versandkosten für diesen Nachlass wurden von den letzten 15 Reichsmark beglichen, die man Max Kohn offiziell zugewiesen hatte:[31] Seine letzte Ruhestätte fand Max Kohn auf dem jüdischen Friedhof Coburg.[32]

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]    Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Kohn Max und Jenny.

[2]    Jiří Václav Fiedler / Fred Chvátal, Židovské památky Tachovska, Plánska a Střibrska/Jüdische Denkmäler im Tachauer, Planer und Mieser Land, Domažlice 2008, S. 110f. sowie S. 47-54, hier bes. S. 54; Zu Weseritz (Bezdružice) siehe auch: Blanka Rozkošná, Blanka / Pavel, Jakubec, Židovské památky Čech, Historie a památky židovského osidleni Čech/ Jewish Monuments in Bohemia, History and Monuments oft he Jewish Settlements in Bohemia, Brno 2004, S. 82f.

[3]   "Coburger Zeitung" vom 15.02.1906.

[4]   Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Kohn, Karl. 

[5]   Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Kohn, Herbert.

[6]   "Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg" vom 10.07.1901, S. 508; Siehe auch: Adressbuch der Stadt Coburg, Ausgabe 1909, S. 105; Siehe auch: "Coburger Zeitung" vom 11.06.1913.

[7]   Adressbuch der Stadt Coburg, Ausgabe 1913, S. 43.

[8]   Stadtarchiv Coburg, Gewerbekartei, Kohn, Max.

[9]   "Coburger Zeitung" vom 28.03.1923 und 22.11.1924.

[10]  "Handels- und Industrie-Zeitung der Münchner Neuesten Nachrichten" vom 22.09.1924. 

[11]  "Coburger Zeitung" vom 02.04.1924, 29.05.1925, 30.05.1925, 14.01.1926 und 17.02.1926.   

[12]  Stadtarchiv Coburg, A 5432, fol. 52. 

[13]  Eva Karl, "Coburg voran!“ Mechanismen der Macht – Herrschen und Leben in der „ersten nationalsozialistischen Stadt Deutschlands“, Regensburg 2025, S. 39-172.

[14]  "Weckruf" Nr. 23/1927.

[15]  "Bayerische Ostmark" vom 14.01.1939.

[16]  "Coburger Zeitung" vom 05.05.1931.

[17]  Stadtarchiv Coburg, Gewerbekartei, Kohn, Max; Siehe auch: "Bayerische Ostmark" vom 23.11.1937.

[18]  Staatsarchiv Coburg, StAnw 906, fol. 66; Siehe auch: Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001, S. 65f. 

[19]  RGbl, I 1935, S. 1146. 

[20]  "Bayerische Ostmark" vom 23.11.1937.

[21]  "Bayerische Ostmark" vom 23.11.1937.

[22]  "Bayerische Ostmark" vom 01.12.1937.

[23]  Karl, "Coburg voran!", S. 491.

[24]  Konzentrationslager Buchenwald, Akte von Kohn, Max, geboren am 26.05.1881, in: Arolsen Archiv (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/6306911 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 06.06.2024; Staatsarchiv Coburg, AG Co 60.132, fol. 10. 

[25]  Konzentrationslager Buchenwald, Akte von Kohn, Max, geboren am 26.05.1881, in: Arolsen Archiv (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/6306912 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 06.06.2024; Staatsarchiv Coburg, AG Co 60.132, fol. 10.

[26]  Staatsarchiv Coburg, AG Co 60.132, fol. 10; Zugangsbuch des Konzentrationslagers Dachau, Häftlingsnummern 022433-028435, in: Arolsen Archiv (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130430853 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 06.06.2024.

[27]  Konzentrationslager Dachau, Dokumente mit Namen ab Köhler, Andreas, in: Arolsen Archiv (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/10680996 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 06.06.2024.

[28]  Konzentrationslager Buchenwald, Akte von Kohn, Max, geboren am 26.05.1881, in: Arolsen Archiv (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/6306912 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 06.06.2024.

[29]  Staatsarchiv Coburg, AG Co 60.132, fol. 4, 10; Siehe auch: Konzentrationslager Buchenwald, Akte von Kohn, Max, geboren am 26.05.1881, in: Arolsen Archiv (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/6306913 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 06.06.2024.

[30]  Ebd.

[31]  Konzentrationslager Buchenwald, Dokumente von Kohn, Max, geboren am 26.05.1881, in: Arolsen Archiv (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/6306915 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 06.06.2024.

[32]  Friedhofsamt der Stadt Coburg, Verzeichnis der auf dem Friedhof der ehem. Israelitischen Kultusgemeinde vorhandenen Grabsteine u. Denkmäler, Grab-Nr. 215.

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Max Kohn hat Irmingard Eidt übernommen.

 

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Stadt Coburg
  • aus Adressbuch der Stadt Coburg, Ausgabe 1922, S. 200.
  • Aus Bayerische Ostmark vom 01.12.1937
  • Arolsen Archiv (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/6306915)
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