“Es war kein längst vergangenes Ereignis oder eine gemeinsame Geschichte der beiden Städte, die zu dieser Verbrüderung führte. Es war ein globaler, bewaffneter Konflikt.” Mit diesen Worten blickte Oudenaardes Bürgermeister Marnic de Meulemeester beim offiziellen Empfang seiner Stadt am vergangen Samstag auf die Anfänge der Städtepartnerschaft mit Coburg.
Ehemalige Kriegsgegner, die sich in den Schützengräben des Zweiten Weltkriegs als Feinde gegenüber standen, hätten sich die Hand gereicht und “ganz persönlich und auf einer sehr persönlichen Ebene einen Friedensschluss angeboten. Und, im wahrsten Sinne des Wortes, “auf der anderen Seite”, gab es Menschen, die diese ausgestreckte dankbar Hand ergriffen haben, die die Chance erkannt und genutzt haben – was zu diesem Zeitpunkt alles andere als eine Selbstverständlichkeit war. Dafür verdienen alle Beteiligten bis zum heutigen Tag unser Aller höchsten Respekt”, stellte Coburgs Oberbürgermeister Dominik Sauerteig in seiner Festansprache ebenfalls die Verbindung zwischen den Anfängen und der aktuellen Situation her.
Aktueller denn je - Gemeinsames Gedenken
Wichtiger und aktueller denn je sei der Text der Urkunde, die am 5. Mai 1972 von den damaligen Stadtoberhäupter unterzeichnet wurde: "...durch die Herstellung menschlicher und kultureller Beziehungen wollen wir eine Verbindung von Mensch zu Mensch, von Stadt zu Stadt, von Land zu Land schaffen. (...) Wir verpflichten uns mit Überzeugung und aus tiefstem Herzen, alles zu beseitigen, was in der Vergangenheit der Harmonie zwischen unseren Völkern abträglich war, und alles zu fördern, was geeignet ist, unsere Mitbürger zusammenzuführen", zitierte de Meulemeester.
Die Tatsache, dass just an diesem Wochenende auch in Belgien mit dem so genannten Befreiungstag, dem Ende des Zweiten Weltkriegs gedacht wurde, nahm OB Sauerteig zum Anlass, die Bedeutung einer Städtepartnerschaft in der heutigen Zeit einzuordnen:
“Wenn wir morgen zusammen mit den Freunden aus Hastings einen Kranz in Erinnerung an den Befreiungstag niederlegen und den Opfern des Krieges gedenken, ist das aus meiner Sicht nicht nur ein Akt der Erinnerung – es ist vor allem eine Warnung und eine Mahnung. Eine Mahnung, dass von europäischem Boden nie wieder Handlungen ausgehen dürfen, die den Frieden zwischen unseren Völker, den Zusammenhalt und das Miteinander in Europa gefährden. Unser Mahnen an diesem Festwochenende stellt für mich insofern auch ein Versprechen dar, dass wir gemeinsam alles tun werden, um jedwede Form von Krieg in Europa zu verhindern”.
Eine Tatsache, der sich am Abend der belgische Premierminister Alexander de Croo anschloss. Bei seinem kurzen Besuch in Oudenaarde betonte der Premier in seiner Ansprache ebenfalls die Bedeutung der europäischen Völkerverständigung und die Wichtigkeit der Werte, für die die Europäischen Union steht. Nach zwei Jahren Pandemie, die auch für jeden Einzelnen persönliche Einschränkung mit sich gebracht hätte, wäre es nun an der Zeit wieder “zu leben und zu genießen”, so de Croo. Freundschaften über Ländergrenzen hinweg, wie die zwischen Oudenaarde und Coburg, seien einer der Garanten dafür, dass das auch weiterhin für Alle möglich sei, so de Croo.
Eine besondere Erfahrung konnte die Coburger Delegation schließlich am Sonntag machen, als sie vormittags an der offiziellen Kranzniederlegung während der Gedenkveranstaltung anläßlich des Befreiungstages teilnahm. Im Namen der Stadt Coburg legten der Städtepartnerschatsbeauftragte des Coburger Stadtrats Jürgen Heeb und Stadtrat Martin Lücke, in Vertretung des erkrankten Oberbürgermeisters, einen Kranz am Mahnmal nieder.
Die Veranstaltung in Oudenaarde, aber auch der Besuch des deutschen Soldatenfriedhofs in Meenen, auf dem rund 48.000 deutsche Soldaten ihre letzte Ruhestätte gefunden haben und vor allem die abendliche Zeremonie des “Last Post” in Ypern, hinterließen die deutschen Delegationsteilnehmer tief beeindruckt aber auch nachdenklich. Jeden Abend um 20 Uhr gedenkt man in Ypern mit dem “Last Post” der gefallenen britischen Soldaten des Stellungskrieges rund um die Stadt, der nahezu die gesamte Zeit des Ersten Weltkrieges rund um Ypern tobte. Coburgs Ehrenbürger und Altoberbürgermeister Norbert Kastner, der einer persönlichen Einladung aus Oudenaarde gefolgt war, legte zusammen mit Jürgen Heeb und Martin Lücke einen Kranz im Namen der Stadt Coburg nieder.
“Dass wir heute hier stehen dürfen, dass wir hier und heute einen Kranz niederlegen und gemeinsam mit Menschen verschiedenster Nationalitäten den Kriegsopfern gedenken dürfen, ist etwas ganz Besonderes, etwas unglaublich Beeindruckendes und etwas, dessen Geist wir unter allen Umständen bewahren und verteidigen müssen”, appellierte Kastner im Anschluss.
An Himmelfahrt wird Coburg zum Gastgeber
Die Delegation aus der Vestestadt, der neben Stadträten und Verwaltung auch Mitglieder des Städtepartnerschaftsvereins angehörten, war sich am Ende des dreitägigen Besuchs einig, dass die Partnerschaft mit Oudenaarde etwas Außergewöhnliches darstellt. “Soviel Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Offenheit, mit der die Partnerschaft gelebt wird, findet man nur sehr selten und diese Werte gilt es, nicht nur zu bewahren sondern vor allem zu erwidern”, waren sich die Teilnehmer einig.
Der Gegenbesuch in Coburg wird bereits in drei Wochen, ab Christi Himmelfahrt erwartet. Auch hier wird es eine Besonderheit geben, denn wie in Oudenaarde, werden, auf Einladung des Coburger OB, Vertreter aus dem englischen Hastings, einer weiteren Partnerstadt von Oudenaarde, am Festwochenende teilnehmen.