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Eine wichtige Säule der jüdischen Integration war der verpflichtende Schulbesuch. Schon der Schutzbrief von 1806 hatte die Schulpflicht für die Nachkommen der ersten Coburger Juden festgelegt. Die folgenden Generationen nutzten die Möglichkeit, sich durch Bildung in die Gesellschaft einzufügen und sozial aufzusteigen. So finden sich insbesondere ab der Mitte des 19. Jahrhunderts viele jüdische Schüler an den höheren Bildungseinrichtungen der Stadt.
Auch von auswärts kam jüdischer Nachwuchs, um am Casimirianum und am Ernestinum ihren Schulabschluss zu machen. Für sie gab es seit 1876 ein eigenes Internat, das der Prediger Simon Oppenheim betrieb. Darauf aufbauend, eröffnete 1917 der Prediger Hermann Hirsch ein Knabenpensionat. Seit 1919 befand es sich hier im Haus Hohe Straße 30, wo es sich schon nach kurzer Zeit zu einem Erziehungsinstitut mit deutschlandweiter Ausstrahlung entwickelte.
Nach Hitlers Machtübernahme änderte sich die Situation völlig. 1934 baute Hermann Hirsch das Internat zu einer höheren Lehranstalt aus, da jüdische Schüler von den öffentlichen Schulen zunehmend ausgeschlossen wurden. Die Einrichtung besaß neben den schulischen Anforderungen drei Aufgaben:
- Schutz vor antisemitischen Übergriffen
- Vermittlung eines positiven Selbstverständnisses von der eigenen Kultur und
- Betonung des Fremdsprachenunterrichts als Vorbereitung auf die Emigration und das Leben im Ausland.
1936 besuchten 60 Schüler die Einrichtung. Das Ende der Schule kam 1938 in der Reichspogromnacht. SA-Männer stürmten das Haus, zwangen die Schüler, die Fensterscheiben einzuwerfen, und verhafteten Hermann Hirsch und sein gesamtes Personal. Kurz darauf gab das bayerische Kultusministerium die Anweisung, die Schüler vom Unterricht zu beurlauben. Zugleich durften Juden keine öffentliche Schule mehr besuchen. Infolge dieser Ereignisse emigrierte Hermann Hirsch mit seiner Frau 1939 nach Palästina, wo er 1942 starb.
Nächste Station
Von 1873 bis 1932 diente die Nikolauskapelle der jüdischen Gemeinde Coburg als Synagoge. Es war ein Ort des Glaubens, der Zusammenkunft und religiöser Bildung. Mit dem Erstarken des Nationalsozialismus verlor die Gemeinde erst ihre Synagoge – und 1938 schließlich auch ihre religiöse Heimat.
Über den Erinnerungsweg
Der Erinnerungsweg „Jüdisches Leben in Coburg“ erinnert in 14 Stationen an die jüdische Gemeinde Coburgs. Die Stationen erstrecken sich von der Integration in die Coburger Stadtgesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zur Vernichtung nach der frühen Machtergreifung der Nationalsozialisten.
Coburgerinnen und Coburger jüdischen Glaubens waren viele Jahrzehnte Teil der Stadtgemeinschaft. Durch den Nationalsozialismus wurden die jüdische Gemeinde und ihre Mitglieder in Coburg ausgelöscht. Sie mussten fliehen oder wurden ermordet. Es liegt in unserer Verantwortung, die Erinnerung an ihr Wirken und ihr Leiden in der Stadt Coburg lebendig zu erhalten.
Der Stadtrat der Stadt Coburg hat daher 2023 beschlossen, mit einem Erinnerungsweg dem jüdischen Leben in Coburg zu gedenken. Der Erinnerungsweg wurde am 31. Juli 2025 feierlich eingeweiht.