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Stadt Coburg

Villa Friedmann

Villa Friedmann

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Villa Friedmann

Mit dem sozialen Aufstieg, der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts begann, ging eine Verbürgerlichung der Juden einher. Dieser Prozess vollzog sich innerhalb von zwei Generationen und umfasste die Übernahme des bürgerlichen Lebensstils mit hohen Bildungsidealen, mit Ansprüchen auf wirtschaftlich freie Entfaltung und Mitsprache bei politischen Entscheidungen. Es war zugleich die Ausdrucksform eines Wunsches, sich den gesellschaftlich führenden Schichten der Stadt anzugleichen und, soweit möglich, sich in sie zu integrieren. Da es nach der Einführung der Niederlassungsfreiheit ab 1863 den Juden möglich war, Villen und Häuser käuflich zu erwerben, waren es vor allem gehobene bis reich ausgestattete Wohnverhältnisse, die den angenommenen bürgerlichen Lebensstil zu repräsentieren vermochten.

So erwarb der Kommerzienrat Adolph Simon 1875 die Villa Ketschendorfer Straße 2, welche 1835 im Auftrag eines Legationsrates errichtet wurde. Als Besitzer folgte 1919 der jüdische Generaldirektor der Fleischwarenfabrik Großmann, Abraham Friedmann (Öffnet in einem neuen Tab), nach. Er lebte dort mit seiner vierköpfigen Familie und ließ einige Umbauten durchführen. Dazu gehörte die Errichtung eines eingeschossigen Vorbaus mit dreiteiliger Altane.

Anbau errichtet von Abraham Friedmann
Familienchronik der Friedmanns anlässlich von Abraham Friedmanns Silberhochzeit 1927

Das Gerücht, er habe während des 3. „Deutschen Tages“ Geld für linke Gegendemonstranten gezahlt, machte Friedmann für die NSDAP ab 1922 zum Gegner. Dies führte zu einer massiven Konfrontation mit dem Coburger NS-Führer Franz Schwede. Der Konflikt eskalierte 1929, als auf Friedmanns Betreiben, Schwede seine Arbeit bei den Städtischen Werken verlor. Nach Hitlers Machtübernahme rächte sich die NSDAP. Im März 1933 drangen SA-Leute in Friedmanns Haus ein, verschleppten und misshandelten ihn. Er flüchtete daraufhin aus Coburg. Die Firma Großmann entließ ihn zudem aus seinem Amt. Damit verlor Friedmann sein Einkommen. Eine Hypothek auf sein Haus konnte er nicht mehr bedienen. Infolgedessen kam es 1935 zur Versteigerung seiner Villa. Unter der Methode „Arisierung“, wie dieser Vorgang bezeichnet wird, verloren bis 1941 auch alle andere Juden ihren Besitz, falls sie ihn nicht bereits zuvor zwangsweise verkauft hatten. Abraham Friedmann starb 1938 in Paris.

Krankenblatt von Abraham Friedmann nach seiner Misshandlung 1933

Nächste Station

Jüdische Unternehmer wie die Brüder Ehrlich prägten Coburgs Industriegeschichte mit Korb- und Hutwaren. 1938 enteignet und verfolgt, wurde ihre Firma zwangsweise geschlossen, Sally Ehrlich ermordet.

Über den Erinnerungsweg

Der Erinnerungsweg „Jüdisches Leben in Coburg“ erinnert in 14 Stationen an die jüdische Gemeinde Coburgs. Die Stationen erstrecken sich von der Integration in die Coburger Stadtgesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zur Vernichtung nach der frühen Machtergreifung der Nationalsozialisten.

Coburgerinnen und Coburger jüdischen Glaubens waren viele Jahrzehnte Teil der Stadtgemeinschaft. Durch den Nationalsozialismus wurden die jüdische Gemeinde und ihre Mitglieder in Coburg ausgelöscht. Sie mussten fliehen oder wurden ermordet. Es liegt in unserer Verantwortung, die Erinnerung an ihr Wirken und ihr Leiden in der Stadt Coburg lebendig zu erhalten.

Der Stadtrat der Stadt Coburg hat daher 2023 beschlossen, mit einem Erinnerungsweg dem jüdischen Leben in Coburg zu gedenken. Der Erinnerungsweg wurde am 31. Juli 2025 feierlich eingeweiht.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Initiative Stadtmuseum - AK-Sammlung Herold
  • Christian Boseckert
  • Städtische Sammlungen Coburg, Inv-Nr. 5470,87
  • Fromm, Coburger Juden, S. 304