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Biographie
Max Ehrlich kam am 8. Januar 1888 in Römhild im Herzogtum Meiningen zur Welt.[1] Sein Vater Karl Ehrlich wurde am 2. August 1849 in Berkach (Herzogtum Meiningen) geboren, seine Mutter Clara Ehrlich, geb. Sander, kam am 11. März 1851 in Simmershausen (Herzogtum Meiningen) zur Welt. Max hatte sieben Geschwister:
- Lydia Ehrlich (geboren 6. Juni 1875 in Römhild)
- Franziska Ehrlich (geboren etwa 1877 in Römhild)
- Sally Ehrlich (Öffnet in einem neuen Tab) (geboren 17. Februar 1878 in Römhild)
- Jenny Ehrlich (Öffnet in einem neuen Tab) (Öffnet in einem neuen Tab) (geboren 17. August 1879 in Römhild)
- Hermann Ehrlich (Öffnet in einem neuen Tab) (geboren 17. August 1882 in Römhild)
- Julius Ehrlich (geboren 10. November 1883 in Römhild)
- Franz Ehrlich (geboren 21. Januar 1885 in Römhild)
Max Ehrlich blieb Zeit seines Lebens unverheiratet.
Leben in Römhild
Jüdisches Leben in Römhild lässt sich archivalisch bis in das Mittelalter zurückverfolgen. Wohl mit der beginnenden Zugehörigkeit der Stadt zum Herrschaftsgebiet der Wettiner 1555 kam es zur Ausweisung der ansässigen Juden. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kehrte jüdisches Leben nach Römhild zurück.[2] Ein wichtiger Faktor für diese Entwicklung war die Einführung der Gewerbefreiheit im Herzogtum Sachsen-Meiningen 1863. Der jüdische Bevölkerungsteil blieb jedoch gering. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lebten schätzungsweise 20 bis 30 Personen in vier bis fünf Familien in Römhild. Die erste hinzugezogene jüdische Familie war die Familie Ehrlich.[3] Zwar existierte in Römhild keine eigene jüdische Kultusgemeinde; die jüdischen Einwohner gehörten der Kultusgemeinde Gleicherwiesen an. Römhild verfügte dennoch über einen eigenen Betsaal, der im Rokoko-Stil ausgestaltet war.[4]
Max Ehrlich zog im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie nach Coburg, wo sein Vater eine Hut- und Mützenfabrik gründete.[5] Dort besuchte er zunächst die Rückertschule, wechselte 1898 auf das Gymnasium Casimirianum und legte 1908 das „Zeugnis der Reife“ ab, mit dem Ziel, Medizin zu studieren.[6] Seine religiöse Mündigkeit (Bar Mitzwa) feierte er 1901 in der Coburger Synagoge.
Akademische Ausbildung und Tätigkeit
Zwischen 1908 und 1914 studierte Max Ehrlich Zahnmedizin an den Universitäten München und Würzburg.[7] An der Universität Würzburg erhielt er 1912 die Approbation und promovierte mit einer Arbeit zum Thema: „Beitrag zum Vorkommen der Pleuratumoren“.[8] Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er zum Militärdienst eingezogen.[9] Nach dem Ende seiner aktiven Dienstzeit eröffnete er im Dezember 1919 eine eigene Zahnarztpraxis im neuerbauten Haus Löwenstraße 17a in Coburg.[10]
Wachsender Antisemitismus
Nach dem Ersten Weltkrieg verschlechterte sich die gesellschaftliche Lage für die jüdische Bevölkerung in Coburg deutlich. In der instabilen Nachkriegszeit nahmen antisemitische Stimmungen zu. Jüdische Mitbürger wurden – durch Presse, Flugblätter und politische Propaganda befeuert – pauschal für Niederlage und Krisen verantwortlich gemacht. Ab 1919 trugen völkisch-nationalistische Gruppen zur weiteren Verbreitung dieser Ressentiments bei. In Coburg fand diese Stimmung früh Anschluss an die politische Radikalisierung, in deren Folge die NSDAP bereits in den 1920er Jahren an Einfluss gewann.
Nach dem kommunalpolitischen Wahlsieg der NSDAP 1929 kam es verstärkt zu Übergriffen auf jüdische Geschäftsleute, zu Sachbeschädigungen und physischen Angriffen. Strafrechtliche Konsequenzen blieben meist aus. Rechtliche Gegenwehr durch Anzeigen und Klagen hatte angesichts der Passivität der Behörden kaum Erfolg. Viele jüdische Familien verließen Coburg bereits vor 1933: Die Mitgliederzahl der Gemeinde sank von 316 (1925) auf 233 (1933) – Ausdruck zunehmender Ausgrenzung und Verunsicherung.[11] Über antisemitische Übergriffe auf Max Ehrlich ist in dieser Zeit nichts bekannt.
NS-Zeit
Mit der nationalsozialistischen Machtübertragung im Januar 1933 verschlechterten sich die beruflichen Bedingungen für jüdische Ärzte in Deutschland schnell. Auch Dr. Max Ehrlich, Zahnarzt in Coburg, war hiervon betroffen. Laut zeitgenössischen Berichten wurde seine Praxis bereits im Frühjahr 1933 Ziel eines reichsweiten Boykottaufrufs. Dieser, von der NSDAP organisierte Boykott jüdischer Geschäfte, Praxen und Kanzleien fand am 1. April 1933 statt.[12]
Am 22. April 1933 trat die „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen“ in Kraft.[13] Sie schloss viele jüdische Ärzte von der kassenärztlichen Versorgung aus. In der Folge verlor Ehrlich seine Zulassung zur Behandlung von Kassenpatienten, was einen erheblichen Teil seiner bisherigen Einnahmen betraf. Angaben aus Gemeindearchiven deuten darauf hin, dass die verbliebenen jüdischen Patienten für den Fortbestand seiner Praxis nicht ausreichten.
Ehrlich gab daher seine Praxis in der Löwenstraße auf und richtete 1934 eine neue Praxis unter eingeschränkten Bedingungen im Elternhaus in der damaligen Adresse Zinkenwehr 39 ein (heute: Sally-Ehrlich-Straße 10).[14] Bis 1937 konnte er dort weiterhin als Zahnarzt arbeiten.
Mit zunehmender Verschärfung der antisemitischen Gesetzgebung musste Ehrlich seine zahnärztliche Tätigkeit 1937 vollständig aufgeben und verließ Coburg in Richtung Karlsruhe.[15] Am 17. Januar 1939 trat die „Achte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ in Kraft.[16] Sie entzog jüdischen Ärzten im Deutschen Reich die Approbation und erlaubte ihnen fortan nur noch unter der Berufsbezeichnung „Krankenbehandler“ zu arbeiten, und zwar ausschließlich für jüdische Patienten.
Verhaftung, Deportation und Ermordung
Im Zuge der reichsweiten antisemitischen Gewaltaktionen vom 9. November 1938 („Novemberpogrom“) wurden in Karlsruhe zwischen 400 und 500 jüdische Einwohner von der Gestapo festgenommen: Ein großer Teil von ihnen wurde in das Konzentrationslager Dachau transportiert.[17] Unter den Inhaftierten befand sich auch Dr. Max Ehrlich. Nach erhaltenen Lagerunterlagen erhielt er dort die Häftlingsnummer 22272.[18] Er blieb rund zwei Monate in Dachau und wurde am 12. Januar 1939 entlassen. anschließend kehrte er nach Karlsruhe zurück.[19]
Am 22. und 23. Oktober 1940 wurde Ehrlich im Rahmen der sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion – einer von den Gauleitern Robert Wagner (Baden) und Josef Bürckel (Pfalz) initiierten, koordinierten Deportation – gemeinsam mit mehr als 6500 Juden aus Baden und der Pfalz nach Südfrankreich verschleppt. Zeitzeugenberichten zufolge hatten die Betroffenen nur wenige Stunden Zeit, ihr Hab und Gut zusammenzupacken; zulässig waren maximal 50 Kilogramm Gepäck und 100 Reichsmark Bargeld pro Person. [20] Zurückgelassenes Eigentum wurde auf Grundlage der damaligen Vermögensverwertungsverordnungen durch das Land Baden beschlagnahmt.
Der Deportationszug mit den badischen und pfälzischen Juden erreichte am 24. Oktober 1940 den Bahnhof Oloron-Sainte-Marie in den französischen Pyrenäen. Von dort wurden die Deportierten mit Lastwagen in das etwa 15 Kilometer entfernte Internierungslager Gurs gebracht. Berichte von Zeitzeugen dokumentieren, dass die hygienischen und medizinischen Verhältnisse im Lager äußerst schlecht waren. In den Monaten nach der Ankunft starben zahlreiche Häftlinge infolge von Unterversorgung und Krankheiten.[21]
Mit der Ankunft Max Ehrlichs in Gurs verliert sich seine Spur.
Quellen- und Literaturverzeichnis
[1] Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Ehrlich, Max.
[2] Israel Schwiertz, Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation, Erfurt 2007, S.208-211, hier S.208.
[3] „Römhild“, in: https://www.alemannia-judaica.de/roemhild_juedgeschichte.htm (Öffnet in einem neuen Tab) (letzter Zugriff: 26.04.2024, 12:15 Uhr)
[4] Schwierz: Zeugnisse, S. 209.
[5] "Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg" vom 31.05.1893.
[6] Staatsarchiv Coburg: Casimirianum 1168. Einladungsschrift des Gymnasium Casimirianum zu Coburg zur Schlußfeier am 7. April 1908, S.17; Siehe auch: "Coburger Zeitung" vom 19.02.1908; Siehe auch: Max Ehrlich, Beitrag zum Vorkommen der Pleuratumoren, München 1914 (Diss.), S. 17.
[7] Rainer Strätz, Biographisches Handbuch Würzburger Juden 1900-1945, Erster Teilband, Würzburg 1989, S. 127; Ehrlich, S. 17.
[8] Die bereits in Fußnote IV erwähnte Dissertation ist in der Universitätsbibliothek Würzburg einsehbar.
[9] "Coburger Zeitung" vom 19.11.1915; Siehe auch: Strätz, S. 127.
[10] "Coburger Zeitung" vom 17.12.1919.
[11] Eva Karl, Coburg voran!“ Mechanismen der Macht – Herrschen und Leben in der „ersten nationalsozialistischen Stadt Deutschlands“, Regensburg 2025, S. 39-172.
[12] "Coburger National-Zeitung" vom 31.03.1933.
[13] Verordnung „Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen des Reichsarbeitsministeriums vom 22. April 1933: „Die Tätigkeit von Kassenärzten nichtarischer Abstammung wird beendet;“ Text bei: Walk, Joseph (Hrsg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, Karlsruhe 1981, S.16; Siehe auch: RGBl. I 1933, S. 222.
[14] Adressbuch der Stadt Coburg, Ausgabe 1934, S. 174.
[15] Adressbuch der Stadt Coburg, Ausgabe 1937, S. 37; Siehe auch: Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Ehrlich, Max; Siehe auch: Adressbuch der Stadt Karlsruhe, Ausgabe 1938, S. II. 58, III. 53.
[16] Reichsministerium des Innern und Stellvertreter des Führers „VIII. VO zum Reichsbürgergesetz" vom 17.01.39: „Bestallungen, Approbationen und Diplome jüdischer Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker erlöschen am 31.1.39. Zahnärzten, deren Approbation erloschen ist, kann wiederruflich die Behandlung der Frau und der Kinder, sowie von Juden gestatten werden; […]“. Text bei: Walk, Joseph (Hrsg.): Sonderrecht, S.275; Siehe auch: RGBl. I 1939, S. 47f.
[17] Geschichte der Juden in Karlsruhe, in: Landesbildungsserver Baden-Württemberg (https://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philosophische-faecher/landeskunde-landesgeschichte/module/epochen/juden_in_bw/karlsruhe/1hintergrundinfo.htm (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 15.05.2024.
[18] Konzentrationslager Dachau, Zugangsbuch vom 28.06. bis 12.11.1938, in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130429483 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 15.05.2024.
[19] Konzentrationslager Dachau, Internierungsdokumente, in: Arolsen Archives (https://collections.arolsen-archives.org/de/document/10637052 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 15.05.2024.
[20] Hainmüller, Bernd et Christiane Walesch-Schneller: Die Rheinbrücke in Breisach: Der letzte Blick auf die Heimat der badischen Deportierten nach Gurs am 22./23. Oktober 1940, Breisach 2020, S.1-24, hier bes. S.1 (Fn.3) – 6, abgerufen unter: https://blaueshausbreisach.de/wp-content/uploads/2020/02/Rheinbruecke-Breisach.pdf (Öffnet in einem neuen Tab), letzter Zugriff: 11.08.2025.
[21] Deportation badischer Juden, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (https://www.gedenkstaetten-bw.de/deportation-1940#c23877 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 15.05.2024; Siehe auch: Transport von Karlsruhe, Karlsruhe (Karlsruhe), Baden, Deutsches Reich nach Gurs, Lager, Frankreich am 22/10/1940, in: Yad vashem. Internationale Holocaust Gedenkstätte (https://collections.yadvashem.org/de/deportations/11290250 (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 15.05.2024.
Patenschaft
Die Patenschaft über den Stolperstein von Dr. Max Ehrlich haben Karin Schunk und Antje und Gerhard Wohlleben übernommen.
