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Stadt Coburg

Stolperstein

Jenny Katz, geb. Ehrlich

Inhalt

  1. Biographie
  2. Leben in Römhild
  3. Heirat und Familie
  4. NS-Zeit
  5. Verhaftung, Deportation und Ermordung
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Jenny Katz (ki-bearbeitet)

Jenny Ehrlich kam am 17.August 1879 in Römhild zur Welt.[1] Ihr Vater Karl Ehrlich wurde am 2. August 1849 in Berkach (Thüringen), ihre Mutter Clara Ehrlich, geb. Sander, am 11. März 1851 in Simmershausen geboren. Jenny Ehrlich hatte sieben Geschwister.

Leben in Römhild

Jüdisches Leben in Römhild lässt sich archivalisch bis in das Mittelalter zurückverfolgen. Wohl mit der beginnenden Zugehörigkeit der Stadt zum Herrschaftsgebiet der Wettiner 1555 kam es zur Ausweisung der dort ansässigen Juden. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lassen sich wieder jüdische Einwohner in Römhild nachweisen.[2] Diese Entwicklung dürfte im Kontext mehrerer Faktoren zu sehen sein, darunter die Einführung der Gewerbefreiheit im Herzogtum Sachsen-Meiningen (1863), rechtliche Gleichstellungsschritte für jüdische Bürger sowie wirtschaftliche Anziehungskraft der Region.

Um 1890 lebten in Römhild schätzungsweise 20 bis 30 jüdische Einwohner, die in vier bis fünf Familien organisiert waren. Die erste nachweisbare jüdische Familie in dieser neuen Siedlungsphase war die Familie Ehrlich [3]. Die jüdischen Einwohner waren nicht in einer eigenständigen Kultusgemeinde organisiert, sondern gehörten zur Kultusgemeinde Gleicherwiesen. In Römhild bestand dennoch ein eigener Betsaal, dessen Ausstattung in zeitgenössischen Berichten als im „Rokoko-Stil“ gehalten beschrieben wird [4]. 

In dieser Zeit besuchte Jenny Ehrlich in Römhild die Schule. 1893 verzog sie mit ihrer Familie nach Coburg, wo ihr Vater eine Hut- und Mützenfabrik eröffnete.[5] 

Heirat und Familie

Wohn- und Geschäftshaus der Familie Ehrlich

Jenny Ehrlich verlobte sich im Mai 1908 mit dem Kürschner Abraham – gen. Albert – Katz, der zu diesem Zeitpunkt in Hildburghausen wohnhaft war.[6] Er stammte aus Silixen, einem Ort im Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen.[7] Das Paar heiratete am 9. Juni 1908 in Coburg.[8] Sie lebten zunächst in Gleiwitz und zogen im März 1908 nach Hildburghausen. Am 10. November 1913 meldeten sich Jenny und Albert nach Meiningen ab.[9] Albert Katz starb im Februar 1919 an den Folgen einer im Ersten Weltkrieg erlittenen Kriegsverletzung.[10] Jenny und Albert Katz hatten einen Sohn und eine Tochter: Werner, geboren am 29. Oktober 1910[11], und Edith (Öffnet in einem neuen Tab), geboren am 27. Dezember 1911.[12] Werner wohnte bei seinen Onkeln Sally und Hermann Ehrlich in Coburg und war als Kaufmann bei der Firma Conitzer & Söhne tätig. Mit Anfang 1932 trat er in die Fremdenlegion ein, überlebte so den Holocaust und wurde 1948 französischer Staatsbürger.[13] 

NS-Zeit

Jenny Katz lebte gemeinsam mit ihrer Tochter Edith bis 1937 in Meiningen in einer Wohnung des Hauses Landsbergerstraße 8.[14] 

Am 30. Juni 1937 kehrte Jenny Katz zusammen mit Tochter Edith nach Coburg zurück. Sie wohnte im Haus Ihrer Brüder, Hermann und Sally Ehrlich, im Zinkenwehr 39.[15] Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Radikalisierung der nationalsozialistischen Rassen- und Verfolgungspolitik sowie der systematischen Ausgrenzung aus der sogenannten „Volksgemeinschaft“ sahen sich viele Juden bedroht. Als Reaktion auf die verschärfte politische Lage suchten viele Juden Schutz bei Verwandten oder Angehörigen der Glaubensgemeinschaft. Bereits vor der vollständigen Umsetzung der antisemitischen Gesetzgebung kam es daher häufig zu einem Zusammenzug von jüdischen Einwohnern.[16] Von einem freiwillig gewählten Wohnort kann unter den geschilderten Umständen keinesfalls gesprochen werden. 

Nach der Reichspogromnacht wurde Jenny Katz am 10. November 1938 mit den anderen Coburger Juden durch die Stadt getrieben und auf dem Marktplatz an den Pranger gestellt.[17] Während die Frauen und Kinder anschließend nach Hause zurückkehren durften, wurden ihre Brüder Sally und Hermann sowie weitere jüdische Männer in die alte Angerturnhalle gebracht. Ursprünglich war die Deportation von 16 Personen in das Konzentrationslager Dachau vorgesehen. Da das Lager jedoch überfüllt war, wurden die Inhaftierten stattdessen in das Gefängnis nach Hof an der Saale gebracht.[18] 

Ab Februar 1939 begann die Stadtverwaltung Coburg mit der Einrichtung sogenannter „Ghetto“- bzw. „Judenhäuser“.[19] Auch das Gebäude im Zinkenwehr 39 wurde zu einem dieser Häuser umfunktioniert.[20] Diese Häuser dienten in erster Linie der gezielten sozialen Isolation und staatlichen Kontrolle jüdischer Menschen. Sie waren ein weiteres Instrument der Entrechtung und markierten eine Zwischenstufe auf dem Weg zur systematischen Deportation. Die Bewohner lebten dort unter beengten und schlechten Bedingungen. 

Verhaftung, Deportation und Ermordung

Meldekarte von Jenny Katz mit Angabe ihrer Verhaftung

Ende September 1941 wurde Jenny Katz von den nationalsozialistischen Behörden in Coburg festgenommen.[21] Die in den wenigen überlieferten Unterlagen enthaltenen Angaben lassen keine eindeutigen Rückschlüsse auf den formalen Haftgrund zu. Am 21. Juli 1942 wurde sie in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo sie die Häftlingsnummer 12397 erhielt.[22]

Am 6. Oktober 1942 erfolgte ihre Überstellung nach Auschwitz.[23] Dort wurde sie unter der Häftlingsnummer 35385 registriert.[24] In den dortigen Unterlagen ist ihr Todesdatum mit dem 11. Oktober 1942 verzeichnet. Als offizielle Todesursache wurde „allgemeine Körperschwäche“ angegeben – eine Formulierung, die in zahlreichen Fällen in Auschwitz und anderen Lagern verwendet wurde, um die tatsächliche, gewaltsam herbeigeführte Tötung durch Hunger, Zwangsarbeit, Misshandlungen oder direkte Tötungsmaßnahmen zu verschleiern.[25]

Am 25. März 1943 erklärte das Finanzamt Coburg – gestützt auf die „Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 25. November 1941 – das Vermögen von Jenny Ehrlich für „verfallen“ und zog es zugunsten des Deutschen Reiches ein. Die verbliebenen Werte in Coburg, darunter Bücher und Einrichtungsgegenstände, wurden mit 945,93 Reichsmark taxiert. Nach Abzug der Kosten für das vorausgegangene Verfahren, das zur Inhaftierung geführt hatte, verblieb ein Betrag von 509,41 Reichsmark, der in die Reichskasse eingezahlt wurde.[26]

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]   Archivbuch Standesamt Römhild Geburten 1876 – 1884, 1879 (Nr.43).

[2]   Israel Schwierz, Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation, Erfurt 2007, S.208-211, hier S.208.

[3]   Römhild, in: https://www.alemannia-judaica.de/roemhild_juedgeschichte.htm (Öffnet in einem neuen Tab) (letzter Zugriff: 26.04.2024)

[4]   Schwierz: Zeugnisse, S.209.

[5]   "Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg" vom 31.05.1893.

[6]   "Coburger Zeitung" vom 12.05.1908.   

[7]   Stadtarchiv Hildburghausen: B 060.

[8]   "Coburger Zeitung" vom 17.06.1908.  

[9]   Stadtarchiv Hildburghausen: B 060.

[10]  Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten (Hrsg.) Die jüdischen Gefallenen des Deutschen Heeres, der Deutschen Marine und der Deutschen Schutztruppen 1914-1918. Ein Gedenkbuch, Berlin 1932, Inhaltsverzeichnis, Anm. 2 (unpag.), S. 412.

[11]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Katz, Werner.

[12]  National Archives and Records Administration (NARA); Washington, DC; Name Index of Jews  Whose German Nationality Was Annulled by the Nazi Regime (Berlin Documents Center); Aufzeichnungsgruppe: 242, National Archives Collection of Foreign Records Seized, 1675 - 1958; Aufzeichnungsgruppe-ARC-ID: 569; Veröffentlichungsnummer: T355; Rolle: 5, Kapp, Moritz – Lewinsohn, Ludwig.

[13]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Katz, Werner; Siehe auch: Werner Katz, in: Frankreich, Einbürgerungen (https://www.myheritage.de/research/collection-14015/frankreich-einburgerungen?itemId=1013275-&action=showRecord&recordTitle=Werner+KATZ (Öffnet in einem neuen Tab)), aufgerufen 18.05.2024.

[14]  Adressbuch der Stadt Meiningen, Ausgabe 1934, S.51.

[15]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Katz, Jenny.

[16]  Als Grundlage für die Einrichtung von „Ghettohäusern“ fungierte das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden vom 30. April 1939: „Juden genießen gegenüber einem nichtjüdischen Vermieter keinen gesetzlichen Mieterschutz, wenn der Vermieter durch eine Bescheinigung der Gemeindebehörde nachweist, daß die anderweitige Unterbringung des Mieters gesichert ist. […] Ein Jude hat in ihm gehörigen oder ihm von einem Juden vermieteten Wohnräumen auf Verlangen der Gemeindebehörde andere Juden als Mieter oder Untermieter aufzunehmen. […].“ Gesetzestext bei: Joseph Walk (Hrsg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, Karlsruhe 1981, S292.

[17]  Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001, S. 94-97.

[18]  Die Beschreibung dieses Ereignisses bei Fromm, S. 95ff.

[20]  Stadtarchiv Coburg A 8521, fol.249; Siehe auch: Fromm, Coburger Juden, ²2001, S. 122f. 

[21]  Christian Boseckert / Norbert Klüglein, „Die Ghettohäuser von Coburg“, in: Neue Presse Coburg vom 6. Mai 2024.

[22]  Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei, Katz, Jenny.

[23]  Inhaftierungsdokumente des KZ Ravensbrück, in: Arolsen Archives, abgerufen unter https://collections.arolsen-archives.org/de/document/129643185 (Öffnet in einem neuen Tab), abgerufen am 23.09.2025.

[24]  Siehe Staatliche Museen Auschwitz-Birkenau (Hrsg.), Sterbebücher von Auschwitz. Fragmente, Namensverzeichnis A-L, München [u.a.] 1995, S. 554.

[25]  Ebd.

[26]  Mitteilung des Auschwitz-Museums vom 01.07.2024.

[27]  Staatsarchiv Coburg, Finanzamt 248.

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Jenny Katz hat Gabriele Schott übernommen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

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