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Stadt Coburg

Stolperstein

Karl Ehrlich

Inhalt

  1. Biographie
  2. Wachsender Antisemitismus
  3. Flucht aus Coburg
  4. Eintritt in die US-Armee
  5. Leben in den Vereinigten Staaten
Verlegeort des Stolpersteins

Biographie

Stolperstein für Karl Ehrlich (ki-bearbeitet)

Karl Ehrlich kam am 20. Juni 1915 in Coburg zur Welt.[1] Sein Vater Hermann Ehrlich (Öffnet in einem neuen Tab) wurde am 17. August 1882 in Römhild (Herzogtum Meiningen) geboren, seine Mutter Anna Ehrlich, geb. Sichel (Öffnet in einem neuen Tab), kam am 19. Juni 1889 in Veitshöchheim (Königreich Bayern) zur Welt. Karl hatte eine Schwester:

Wachsender Antisemitismus

Karl Ehrlich (ki-bearbeitet)

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs veränderte sich die gesellschaftliche Situation der jüdischen Bevölkerung in Coburg spürbar. Antisemitische Einstellungen, die bereits im Kaiserreich verbreitet gewesen waren, erhielten durch die militärische Niederlage, die Folgen des Versailler Vertrags sowie die politischen und wirtschaftlichen Krisenjahre neue Nahrung. In Teilen der Bevölkerung wurden Juden fälschlicherweise als Mitverantwortliche für die Niederlage und die schwierige Nachkriegslage betrachtet – ein Vorwurf, der sich in der antisemitischen „Dolchstoßlegende“ widerspiegelte.

Bereits ab 1919 sind in Coburg vermehrt antisemitische Äußerungen und Agitationen in Flugblättern, Zeitungsartikeln, Plakaten und öffentlichen Vorträgen nachweisbar. Diese Formen der Propaganda trugen dazu bei, ein Klima zu schaffen, in dem spätere Diskriminierungen und Gewaltakte leichter Anschluss fanden.

Einen deutlichen Einschnitt bildete der kommunalpolitische Erfolg der NSDAP in Coburg im Jahr 1929, als die Partei bei den Stadtratswahlen die stärkste Fraktion stellte. In der Folge häuften sich Berichte über Sachbeschädigungen an jüdischem Eigentum sowie Übergriffe auf einzelne jüdische Bürgerinnen und Bürger. Angehörige der jüdischen Gemeinde reagierten auf solche Angriffe unter anderem mit Anzeigen und Klagen. Die überlieferten Gerichtsakten zeigen jedoch, dass diese rechtlichen Schritte nur selten zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation führten.

Die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde ging in dieser Zeit spürbar zurück: Während 1925 noch 316 Personen gezählt wurden, waren es 1933 nur noch 233. Neben wirtschaftlichen Gründen spielten für diesen Rückgang auch Wegzüge aufgrund der zunehmenden antisemitischen Anfeindungen eine Rolle.[3]

Karl Ehrlich erlebte diese Entwicklungen während seiner Kindheit und Jugend. Er besuchte ab etwa 1925 das Gymnasium Casimirianum und legte dort das Abitur ab.[4]  Die Erfahrungsberichte jüdischer Schülerinnen und Schüler dieser Zeit sind uneinheitlich: Einige berichten, sie hätten bis 1933 kaum antisemitische Anfeindungen erlebt, andere schildern Ausgrenzung, Isolation oder offene Feindseligkeiten – sowohl durch Mitschüler als auch durch Lehrkräfte.[5] Ob Karl Ehrlich persönlich derartige Erfahrungen machte, lässt sich anhand der vorhandenen Quellen nicht belegen.

In seiner Freizeit war Ehrlich sportlich aktiv und Mitglied im VfB Coburg. Bei den Jugendmeisterschaften 1929 belegte er im Weit- und Hochsprung jeweils den dritten Platz.[6] Vermutlich feierte er, der jüdischen Tradition entsprechend, um 1928 in der Coburger Synagoge seine Bar Mitzwa. Einen direkten Quellenbeleg gibt es dazu nicht. 

Flucht aus Coburg

Nach den vorliegenden Meldeunterlagen verließ Karl Ehrlich Ende August 1933 seinen Wohnsitz in Coburg und zog nach Berlin.[7] In den Quellen wird kein direkter Grund für diesen Ortswechsel genannt. Angesichts der seit Frühjahr 1933 dokumentierten antisemitischen Übergriffe in Coburg – darunter Boykottaktionen, öffentliche Anfeindungen und gezielte gewaltsame Vorfälle – ist es jedoch möglich, dass diese Entwicklung zu seiner Entscheidung beigetragen hat.

In Berlin lebte Ehrlich nachweislich bis 1938. Aus dieser Zeit liegen keine gesicherten Informationen zu seiner beruflichen Tätigkeit oder sozialen Einbindung vor. Ab 1936 bemühte er sich um ein US-Einreisevisum. Die Einwanderung in die Vereinigten Staaten unterlag zu dieser Zeit dem Quoten- und Visasystem des „Immigration Act of 1924“, das die Zuwanderung aus Deutschland stark begrenzte und längere Wartezeiten zur Folge hatte. Ein zentrales Dokument im Verfahren war eine finanzielle Bürgschaft, das sogenannte „Affidavit of Support“. Dieses stellte im Frühjahr 1938 sein in New York lebender Cousin Kurt Mendel aus.

Mit diesem Dokument und der erteilten US-Einreisegenehmigung konnte Ehrlich schließlich ausreisen. Laut Passagierliste der „S.S. Manhattan“ verließ er Hamburg am 27. Juli 1938 und erreichte am 4. August 1938 den Hafen von New York.[8]

In den US-Volkszählungsunterlagen von 1940 wird er als „Charles Ehrlich“ geführt, wohnhaft am Park Boulevard in Camden, New Jersey. Camden war zu diesem Zeitpunkt eine Industriestadt mit rund 70.000 Einwohnern, gelegen nahe Philadelphia. Ehrlich war dort bei der Firma „Style Park Hat Co.“, einem lokalen Hersteller von Kopfbedeckungen, angestellt.[9] Weitere biografische Angaben zu seinen ersten Jahren in den USA liegen bislang nicht vor.

Eintritt in die US-Armee

Nach den Unterlagen der US-Army trat Karl Ehrlich im Mai 1943 in die Streitkräfte der Vereinigten Staaten ein.[10] In den überlieferten Dokumenten wird der Einsatzort mit „European Theater of Operations“ angegeben, ohne nähere Angaben zu Einheit oder konkreten Kampfhandlungen.

Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches im Mai 1945 kehrte Ehrlich, inzwischen US-Staatsbürger, als Angehöriger der amerikanischen Besatzungstruppen nach Coburg zurück. Dort ist er in den Verwaltungsakten der Militärregierung als Assistent des örtlichen Militärgouverneurs belegt.[11]

Aus den Protokollen des Coburger Stadtrats vom 14. Februar 1946 geht hervor, dass auf Vorschlag Karl Ehrlichs ein Teil der Straße „Zinkenwehr“ in „Sally-Ehrlich-Straße“ umbenannt wurde. Die Benennung sollte an seinen Onkel Sally Ehrlich (Öffnet in einem neuen Tab) erinnern, der von den Nationalsozialisten ermordet worden war. Ebenfalls 1946 wurde am früheren Wohnhaus der Familie Ehrlich eine Gedenktafel angebracht. Diese Tafel verweist auf das Schicksal von Sally Ehrlich und erinnert an die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung Coburgs und Europas.[12]

Leben in den Vereinigten Staaten

Nach den vorliegenden Unterlagen der US-Volkszählung von 1950 lebte Karl Ehrlich zu diesem Zeitpunkt in Camden, New Jersey, und war als Verkäufer in einem „Retail Men’s Store“ (Herrenbekleidungsgeschäft) tätig. Er wohnte gemeinsam mit seinen Eltern, Hermann Ehrlich und Anna Ehrlich, geborene Sichel, in der Baird Avenue.[13] Aus den Melde- und Passagierlisten geht hervor, dass er nach dem Ende seines Militärdienstes im Zweiten Weltkrieg in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt war; das genaue Rückkehrdatum ist in den bisher ausgewerteten Quellen nicht belegt.

Im Jahr 1950 heiratete Ehrlich Sybil Frank, die 1924 in Berlin geboren und in den 1930er Jahren in die USA emigriert war.[14] Aus dieser Ehe gingen ein Sohn und eine Tochter hervor. 

In den Jahren 1988/89 stand Ehrlich in Kontakt mit dem Coburger Autor Hubert Fromm. Dabei übermittelte er persönliche Erinnerungen an seine Geburtsstadt und an die jüdische Gemeinde Coburg.[15] Auszüge dieser Berichte wurden in Fromms Publikation „Die Coburger Juden“ von 1990 verwendet.

Karl Ehrlich verstarb am 14. Februar 1999 im Alter von 83 Jahren in Cherry Hill, New Jersey, einer Nachbargemeinde von Camden.[16] Er wurde auf dem Locustwood Cemetery in Cherry Hill beigesetzt.[17] 

Quellen- und Literaturverzeichnis

[1]   "Coburger Zeitung" vom 01.07.1915.

[2]   "Coburger Zeitung" vom 23.02.1918.

[3]   Zusammenfassung von Hubert Fromm, Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal, Coburg ²2001. 

[4]   Staatsarchiv Coburg: Casimirianum 1178.

[5]   "Coburger Zeitung" vom 2. Oktober 1929.

[6]   Stadtarchiv Coburg, Einwohnerkartei: Ehrlich, Karl; Siehe auch: Fromm: Coburger Juden: S.253.

[7]   The National Archives in Washington, DC; Washington, DC, USA; Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957; Mikrofilm-Seriennummer oder NAID: T715; Titel der Aufzeichnungsgruppe (RG, Record Group): Records of the Immigration and Naturalization Service, 1787-2004; RG: 85; Siehe auch Fromm: Coburger Juden, S.253f.

[8]   National Archives at St. Louis; St. Louis, Missouri; Wwii Draft Registration Cards For New Jersey, 10/16/1940-03/31/1947; Aufzeichnungsgruppe: Records of the Selective Service System, 147; Archiv: 188.; Vgl. auch: The National Archives at Philadelphia; Philadelphia, PA; NAI-Titel: Declarations of Intention For Citizenship, 1/19/1842 - 10/29/1959; NAI-Nummer: 4713410; Titel des Aufzeichnungssatzes: Records of District Courts of the United States, 1685-2009; Nummer des Aufzeichnungssatzes: 21.

[9]   The National Archives at Philadelphia; Philadelphia, PA; Petitions For Naturalization, 1851-1991; NAI-Nummer: 1168978; Titel des Aufzeichnungssatzes: Records of District Courts of the United States; Nummer des Aufzeichnungssatzes: 21.

[10]  Fromm: Coburger Juden, S.257.

[11]  National Archives at Washington, DC; Washington, D.C.; Seventeenth Census of the United States, 1950; Jahr: 1950; Gebiet der Volkszählung: Camden, Camden, New Jersey; Rolle: 2383; Seite: 21; Zählungsdistrikt: 24-171.

[12]  Ancestry.com. New York, New York, USA, Heiratsurkundenindex, 1907-2018 [Datenbank online]. Lehi, UT, USA: Ancestry.com Operations, Inc., 2017.

[13]  Ancestry.com. USA, staatlicher Registrierungsindex, 1950 -1993, Band 2 [database on-line]. Lehi, UT, USA: Ancestry.com Operations, Inc., 2010.

[14]  "Philadelphia Inquirer" vom 26.02.2020.

[15]  Fromm, Coburger Juden ²2001, S. 258, Fn. 2.

[16]  Ancestry.com. USA, Sozialversicherungsindex, 1936-2007 [database on-line]. Provo, UT, USA: Ancestry.com Operations, Inc., 2015.

[17]  https://de.findagrave.com/memorial/207435856/carl-ehrlich (Öffnet in einem neuen Tab), letzter Zugriff: 20.09.2025.

Patenschaft

Die Patenschaft über den Stolperstein von Karl Ehrlich haben Gerald und Vicky Ehrlich übernommen.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Stadt Coburg
  • aus Hubert Fromm, Die Coburger Juden, 2. Aufl, Coburg 2001, S. 282.
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